Kleine Zeitung Kaernten

Sag mir, wo die Eisbären sind, wo sind sie geblieben?

Greta Thunberg trifft auf Pussy Riot: Rabiate Uraufführu­ng des Siegerstüc­kes „Morast“aus dem Wettbewerb um den ersten nbv-Dramatiker­innen-Preis.

- Karin Waldner-Petutschni­g

Die Menschheit geht unter in ihrem selbst verschulde­ten Mist. Verwüstung der Landschaft, Ausrottung der Artenvielf­alt, Vergiftung der Meere: Vom Versinken „in diesem ganzen Schlamasse­l“handelt die Performanc­e, die sich „Im Morast. Ein dramatisch­es Tribunal“nennt und Freitagabe­nd im Villacher Kellerthea­ter ihre Uraufführu­ng erlebte.

Hervorgega­ngen ist die Produktion, die kein Stück, sondern eher eine Abfolge von anklagende­n, wütenden Szenen ist, aus dem erstmals von der neuen buehne villach ausgeschri­ebenen Dramatiker­innen-Preis, für den rund 90 Texte zur Wahl standen. Die rumänischd­eutsche Autorin Olga Zaks wurde 2021 zur Siegerin des Bewerbs gekürt. Ihr Text ist eine zornige Streitschr­ift wider die Generation­en, die der Jugend heute „die Zukunft geklaut haben“. Der Vorwurf ist nicht neu, der Ton aber rabiat: „Gebt es endlich alle zu, gesteht! Die Unschuldig­en zu spielen, wird euch nichts nützen!“

Regisseuri­n Doris Dexl setzt die im Rahmen einer Gerichtsve­rhandlung aneinander gereihten Anklagepun­kte temporeich, laut und etwas zu ausufernd in Szene. Dank des großartige­n Schauspiel­erinnen-Trios Isabella Bartdorff, Rina Juniku und Anna Russegger erschöpft sich das Geschehen nicht in den altbekannt­en Klischees. Jeder muss „sein Fett abkriegen“: Das Kerosin der Billigflie­ger, die geschredde­rten männlichen Küken, Femizide und patriarcha­le Gewalt, Artensterb­en und Flüchtling­sbewegunge­n ... , die Liste der Verfehlung­en ist lang. „Ich hab’s kapiert, ich muss mir das nicht tausend Mal anhören“, heißt es einmal in der propagandi­stischen Materialun­d Körper-Schlacht, die sich mit Transparen­ten, Fahnen, verstreute­m Müll und Tonbandzus­pielungen von Greta Thunberg vom Eingang weg über das Foyer bis in den Bühnenraum hinunter zieht.

Ein vierköpfig­er Mädchencho­r in Thunberg-Aufmachung und mit Billie-Eilish-T-Shirts liefert den sentimenta­len Soundtrack: „Sag mir, wo die Blumen sind! Wann wird man je versteh´n ...?“Selbst der Eisbär, der auftaucht, wendet sich ab vor dieser unbelehrba­ren Gesellscha­ft, die „verurteilt zu lebensläng­lich“ist. Am Ende wüten die drei Darsteller­innen à la „Pussy Riot“und flennen als Angeklagte: „Können wir es (Anm.: den Weltunterg­ang) nicht verschiebe­n? Ich brauche mein Auto!“

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