Kleine Zeitung Kaernten

Kampf um Milliarden für Klima-Schäden

Bei der UN-Klimakonfe­renz spitzt sich alles auf die Frage zu, wer für bereits eintretend­e Klimaschäd­en aufkommen soll. Der Streit dreht sich nicht nur um Geld, sondern vor allem ums Thema Gerechtigk­eit.

- Von Günter Pilch, Sharm el-Sheikh

Man kann all diese Menschen doch nicht sich selbst überlassen“, sagt Marlene Achoki und schüttelt den Kopf. Die Kenianerin arbeitet für die Hilfsorgan­isation CARE in Nairobi und beobachtet derzeit bei der Klimakonfe­renz in Sharm el-Sheikh die Verhandlun­gen. „Am Horn von Afrika wird es immer schwierige­r, Nahrung und Wasser für Menschen und Tiere zu finden“, schildert sie. „Alleine in Somalia leiden 7,8 Millionen Menschen unter der Trockenhei­t, 200.000 stehen vor einer Hungersnot, unzählige Kinder sind gestorben und es wird immer schlimmer. Die Menschen in Afrika bezahlen für Schäden, die sie nicht verursacht haben.“

Was Marlene Achoki schildert, ist zum zentralen Thema der heurigen UN-Klimakonfe­renz geworden. „Loss & Damage“nennen sich in der Sprache der Verhandler jene Schäden, die der Klimawande­l trotz aller Anpassungs­maßnahmen weltweit bereits verursacht und für die die Staaten des Globalen Südens Kompensati­on fordern. Das tun sie bereits seit Jahren, doch erst heuer ist der Druck so hoch geworden, dass es die Frage auf die offizielle Tagesordnu­ng der Konferenz geschafft hat. Der politische Knoten, der sich um das Thema gebildet hat, ist so verworren, dass eine Lösung auch kurz vor dem offizielle­n Gipfelende am Freitag nicht absehbar ist.

Die Argumente der Delegierte­n der Entwicklun­gsländer wiegen schwer. Ihre Staaten hastehende ben bisher kaum zum globalen Treibhausg­asausstoß beigetrage­n, sind von den Folgen aber am massivsten betroffen. Auf die Länder Afrikas und Südamerika­s etwa entfallen nur jeweils drei Prozent aller historisch­en menschlich­en CO2-Emissionen, die EU-Staaten dagegen halten bei mehr als 20, die USA bei 25 Prozent. Emissionen, die in den Industrien­ationen ein Wohlstands­niveau ermöglicht haben, von dem die Entwicklun­gsländer nun einen Obolus einfordern, um einen Teil der Klimaschäd­en in den südlichen Regionen abzudecken.

Aber bereits da beginnt das Problem. Was genau gilt als Klimaschad­en? Und wer soll von den allfällige­n Mitteln profitiere­n? Tatsächlic­h stehen hinter der größten Klima-Verhandler­gruppe der Staaten des Globalen Südens, der G77, neben Ländern wie Kenia oder Vanuatu auch Staaten wie China, Südafrika, Brasilien und der ErdölPrimu­s Saudi Arabien, die ebenfalls Entschädig­ungszahlun­gen verlangen. Derartiges kommt für die EU, die USA und andere Industrien­ationen nicht in Frage. Auch den von vielen Delegierte­n verlangten eigenen Entschädig­ungsfonds lehnen die Europäer ab. „Es würden bestimmt zehn Jahre vergehen, bis ein solcher Fonds arbeitsfäh­ig wäre. Das wäre eine gewaltige Verzögerun­g“, argumentie­rt Österreich­s Klimaminis­terin Leonore Gewessler, die grundsätzl­ich für mehr Klimafinan­zierung für Entwicklun­gsländer eintritt und auf jene 50 Millionen Euro verweist, die Österreich bereits in den nächsten Jahren über beFinanzie­rungsinstr­umente für „Loss & Damage“zur Verfügung stellen will.

Hinter alldem steht freilich auch die Sorge, dass aus einem eigenen Fonds Verpflicht­ungen erwachsen könnten, die sich finanziell als Fass ohne Boden erweisen. „Wenn man bedenkt, dass alleine die Flutkatast­rophe in Deutschlan­d 30 Milliarden Euro gekostet hat, kann man erahnen, in welche Dimensione­n man da weltweit gleich kommen kann“, sagt Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Und die Folgen der Erderhitzu­ng in Form von Dürrekatas­trophen, Überschwem­mungen und Hitzewelle­n werden mit jedem Zehntelgra­d, um das die globalen mittleren Temperatur­en ansteigen, schlimmer. Hinzu kommt die Befürchtun­g der EU-Staaten, dass ein fixer Finanzieru­ngsmechani­smus für Klimaschäd­en Finanzmitt­el von jenen Bemühungen abziehen könnte, die sich der Ursachenbe­kämpfung des Klimawande­ls, also dem Einschränk­en des Treibhausg­asausstoße­s widmen.

Marlene Achoki hält von derartigen Überlegung­en wenig. „Die Folgen des Klimawande­ls sind hier, wir spüren sie jeden Tag.“Am Horn Afrikas greife nun ein Phänomen immer stärker um sich: Frauen würden sich für den Zugang zum knappen, deshalb teuer gewordenen Wasser prostituie­ren. „Es muss hier auf der Klimakonfe­renz eine eigene Finanzieru­ngsstruktu­r für Klimaschäd­en beschlosse­n werden“, sagt Achoki. „Wir sind darauf angewiesen.“

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