Lieferketten: Unruhe über die Details wächst
Heute wird in Brüssel auf Botschafterebene über die Details des EU-Lieferkettengesetzes verhandelt – laut Wirtschaft nicht umsetzbar.
Gestern legte Lara Wolters (S&D), Chefverhandlerin des EU-Parlaments, den Berichtsentwurf für das neue Lieferkettengesetz vor, heute sollen die Botschafter der EULänder die Positionen abstimmen – und vor allem Vertreter aus der Wirtschaft fürchten die Schaffung eines neuen, in der Praxis nicht umsetzbaren Bürokratiemonsters.
Die Idee hinter dem neuen Gesetz ist es, globalisierte Produktionsprozesse nicht auf Kosten der Umwelt oder der Menschenrechte zuzulassen. Kinderarbeit, Raubbau an der Natur oder Ausbeutung von Menschen soll im Zuge des Warenflusses verhindert werden, gedacht ist an Sanktionen oder Verbote von Produkten. Ein Kommissionsvorschlag aus dem Februar sieht vor, dass in der EU tätige Firmen ihre weltweiten Lieferanten überprüfen sollen – betroffen wären demnach rund 13.000 Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter und mehr als 150 Millionen Umsatz haben. Doch in gewissen Bereichen, etwa der Textilindustrie oder der Landwirtschaft, sollen die Vorschriften auch für kleinere Unternehmen gelten – unter Umständen sogar für die finanzierenden Banken, wie es kürzlich ein heimischer Banker formulierte: „Wenn wir einem Holzhändler einen Kredit geben, sollen wir überprüfen, ob er nicht mit Holz aus ausländischen Naturschutzgebieten handelt – wie soll das gehen?“Entsprechend weit sind vor den entscheidenden Verhandlungen die Positionen voneinander entfernt. In Österreich finden etwa Arbeiterkammer, Gewerkschaften und NGOs die Ansätze gut, bei der Wirtschaftskammer schlägt man hingegen Alarm: „Ein österreichischer Betrieb kann gar nicht die ganze Wertschöpfungskette kontrollieren, das wäre absurd“, heißt es da. Hohe Standards seien sinnvoll, aber die Vorschriften müssten realistisch und Klein- und Mittelbetriebe effektiv ausgeklammert sein.
Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung: „Wir nehmen unsere Sorgfaltspflichten und Verantwortung selbstverständlich wahr. Es müssen aber auch die Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass sie praktikabel und im unternehmerischen Alltag umsetzbar sind.“Regelungen, die Unternehmen zwingen, Anforderungen zu erfüllen, die sie nicht selbst kontrollieren können, seien abzulehnen: „Der europäische Gesetzgeber muss aufhören unsere Bedenken vom Tisch zu wischen.“Ähnlich sieht das Andreas Gerstenmayer, CEO von AT&S: „Mit dem derzeitigen Entwurf kommt eine realitätsferne Überregulierung auf uns zu, die die Gefahr birgt, das zugrunde liegende Ziel zu verfehlen.“Man teile die Ziele der Kommission, habe aber bereits Beschwerdesystem, Auditplan und Verhaltenskodex. Gerstenmayer: „Sublieferanten oder gar Kunden weiter zu kontrollieren, ist nicht machbar.“