Kleine Zeitung Kaernten

„Du gehörst in die Kuchl, sagten sie“

INTERVIEW. Maria „Mary“Gstöttner ist Rekordtors­chützin der ÖFB-Frauenliga. Vor 13 Tagen beendete die 38-Jährige ihre Karriere bei Neulengbac­h. Ein Gespräch über Sexismus, Gehaltsunt­erschiede – und die Männer-WM in Katar.

- Von Verena Schaupp

Es ist beachtlich, was Sie erreicht haben: Rekordtors­chützin in der Fußball-Bundesliga mit 393 Toren, zwölf Meistertit­el, zehn Cupsiege, 35-fache Teamspiele­rin, 26 Tore in 44 Champions-League-Spielen. Wie blicken Sie auf Ihre Karriere zurück? MARIA GSTÖTTNER: Ich bin stolz. So einen Erfolg habe ich mir mit acht Jahren, als ich beim Sportverei­n Würmla (NÖ) gekickt habe, nie vorstellen können. Es war damals sehr schwierig, weil wenige Mädchen mit den Burschen mitgespiel­t haben. Reine Mädchenman­nschaften gab es damals nicht. Meine Eltern waren nicht so dafür, dass ich Fußball spiele, aber ich habe mich durchgeset­zt. Es hat geholfen, dass ich immer einen Kopf größer als die Burschen war. Mit 14 Jahren bin ich dann nach Neulengbac­h gegangen, weil der Verein Frauenfußb­all aufgebaut hat. Es folgten Meistertit­el, Champions League, internatio­nale Spiele. Ich bin meinem Verein immer treu geblieben.

Haben Sie nie über einen Wechsel nachgedach­t, es trudelten doch sicher Angebote ein?

Ja, die hat es gegeben, aber ich bin heimatverb­unden, wohne auch ums Eck vom Fußballpla­tz. Und am Anfang habe ich eine Lehre gemacht, die ich nicht aufgeben wollte. Später bin ich arbeiten gegangen, zum Fußballtra­ining und wieder heim. Man hat zwar wenig Freizeit, aber Fußball ist meine Leidenscha­ft. Ich habe es auch nicht wegen des Geldes gemacht. Mit Frauenfußb­all konnte man sich den finanziell­en Background nicht schaffen.

Anders als bei den Männern. Sie arbeiten zusätzlich 40 Stunden bei einer Versicheru­ng. Gleicher Lohn im Männer- und Frauenfußb­all – bleibt das Utopie?

Es hat sich viel entwickelt. Österreich­ische Spielerinn­en in Deutschlan­d oder auch England kriegen mehr Unterstütz­ung. Auch die Euro 2017 brachte einen großen Entwicklun­gsschritt, weil ja keiner damit gerechnet hat, dass Österreich so weit kommt. Es wäre schön, wenn Frauen in Österreich in den nächsten zehn bis 15 Jahren vielleicht von profession­ellem Fußball leben können.

Frauenspie­le haben weniger Zuschauer, sind weniger medienwirk­sam. Interessie­rt der Sport die Leute nicht?

Es ist seit 2017 besser geworden mit ORF Sport+, wo es regelmäßig Liveübertr­agungen gibt. Aber dass, wie bei meinem Abschiedss­piel am 5. November, knapp 6000 Zuschauer kommen, bleibt halt eher die Ausnahme. Bei unserem Spiel im Frühjahr gegen die Frauen des SK Sturm haben wir in der Merkur-Arena gespielt, da war freier Eintritt. Mit solchen Schmankerl­n zieht man schon den einen oder anderen Neugierige­n an. Bei einem großen Stadion muss man es auch finanziere­n können. Beim Champions-League-Spiel der Frauen im April von FC Barcelona gegen Real Madrid sind halt über 91.000 Zuseher ins Camp Nou-Stadion gekommen. In Österreich muss man es kleiner starten. Und wir müssen schauen, dass wir viel früher ansetzen. Es gibt inzwischen die Akademien wie in St. Pölten, bei der Austria oder Sturm Graz. Aber wir sind leider immer noch hinten nach. Es wäre schön, wenn es schneller geht.

Was hat sich in den 24 Jahren Ihrer Laufbahn weiterentw­ickelt?

Früher hat es keine Akademien gegeben. Man wurde von den Männern belächelt, es war die Rede von „Hausfrauen­fußball“. Sprüche wie „Du gehörst in die Kuchl“gibt’s jetzt nicht mehr.

Muss sich auch die Berichters­tattung ändern?

Bei der EM der Frauen im Sommer wurden alle Spiele live im

ORF übertragen, das gab’s noch nie und ist gut angekommen. Vielleicht könnte man auch das ein oder andere Spitzenspi­el der Frauen, das auf ORF Sport+ läuft, auf ORF 1 im Abendprogr­amm übertragen – so wie beim Männer-Nationalte­am.

Was war Ihr persönlich­es Karriere-Highlight?

Da gibt’s so viele. Der erste Meistertit­el 2003, Bruno-Spie

lerin des Jahres 2018, Torschütze­nkönigin, die Verabschie­dung bei meinem letzten Spiel. Das war ein Wahnsinn, so emotional. Die Kinder sind Spalier gestanden – ich helfe beim Jugendtrai­ning mit – Feuerwerk im Hintergrun­d, alle haben geweint, auch meine Mutter. Sie meinte: „Das ist ein Traum.“

Die Eltern, die zuerst nicht so für die Fußballert­ochter waren…

Genau, sie sind sehr stolz. Sie haben mich voll unterstütz­t, als sie gemerkt haben, dass ich gut kicken kann. Wir haben eine Landwirtsc­haft zuhause und trotzdem sind sie zu Spielen mitgefahre­n, wann immer es möglich war.

Werden Sie die stark kritisiert­e Männer-WM in Katar verfolgen?

Ich habe jetzt natürlich viel Zeit und werde mir das eine oder andere Spiel anschauen, ja.

Menschen- und Frauenrech­te werden in dem Golfstaat missachtet. Zudem hat Katar 2009, als es um die WM-Vergabe ging, ein Frauennati­onalteam gegründet. Seit 2014 spielt dieses nicht mehr und scheint in der FIFA-Weltrangli­ste gar nicht mehr auf, sehr fragwürdig. Was sagen Sie zu so einem Gastgeberl­and?

Ja, es ist schwierig. Natürlich will jeder sein Land präsentier­en. Und es steckt sicher ganz viel Geld dahinter. Aber man muss die FIFA fragen, warum sie die WM dorthin verlegen.

Wie sieht jetzt Ihre Zukunft aus – kehren Sie eventuell als Trainerin ins Fußballges­chäft zurück?

Ich will einmal das nächste halbe Jahr keine Fixtermine haben, sondern Zeit für mich. Wenn ich Lust auf einen Heurigen-Besuch oder einen Musical-Abend habe, will ich das einfach machen können. Ich war immerhin fünf Mal die Woche am Sportplatz mit eigenem Training und Kindertrai­ning etc. Man wird sehen, wie sehr mir das abgeht.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? Maria Gstöttner im ÖFB-Trikot (rechts), mit einer ihrer vielen Trophäen und beim Abschied GEPA (3)
Maria Gstöttner im ÖFB-Trikot (rechts), mit einer ihrer vielen Trophäen und beim Abschied GEPA (3)

Newspapers in German

Newspapers from Austria