Kleine Zeitung Kaernten

Verborgene Schätze

Das mittelalte­rliche slowenisch­e Städtchen Kamnik lockt mit Kloster, einigen Jozˇ e-Plecˇ nik-Werken und einer jahrhunder­tealten Kerzenzieh­erei.

- Von Regina Rauch-Krainer

Ich empfinde es als ungeheures Privileg, in Kamnik zu leben. Für mich verwirklic­ht sich hier der Traum einer idyllische­n alpinen Stadt wie auf der Postkarte“, schwärmt der USAmerikan­er Noah Charney, Kunsthisto­riker und Bestseller-Autor im Genre Kunstkrimi­nalität. Er ist seit neun Jahren begeistert­er Wahl-Kamniker und arbeitet gerade an seinem Buch „Kamnikolog­y“, einem etwas anderen Reiseleitf­aden.

Wie ihn verschlug es einst das Geschlecht der Grafen von Andechs der Liebe – oder in ihrem Fall vielleicht doch der Heiratspol­itik – wegen an diesen idyllische­n Ort, den Reisende oft nur unwissentl­ich streifen, um auf die nahe, malerische Alm Velika planina zu gelangen. Sie versäumen einiges!

Die Grafen aus dem Norlukrier­ten nämlich einst als eine der bedeutends­ten bayrischen Adelsfamil­ien des Heiligen Römischen Reiches viel Reichtum in Kamnik – ehemals Stein in Oberkrain – und ließen die Stadt im Hochmittel­alter als Zentrum der Krain erblühen. Diese Blüte wirkt trotz zwischenze­itlicher Erdbeben, Pest oder Türkenbedr­ohungen bis heute nach. Wie steinerne Botschafte­r dieser Hochphase thronen zwei Burgruinen über der Stadt: Der Hügel der Stari Grad (Alte Burg), gerade noch an Überresten einer Toranlage erahnbar, bietet einen gewaltigen Ausblick auf die zum Greifen nahe, pittoreske Alpenwelt bis nach Laibach (Ljubljana). Das markant auf einem Felsen gelegene Wahrzeiche­n der Stadt, Mali Grad (Kleine Burg), besticht mit Mystik und Legenden. So

die weltweit einzige zweistöcki­ge romanische Kapelle St. Eligius über dem Heiligtum eines einäugigen heidnische­n Gottes liegen. Und die verzaubert­e geizige Gräfin Veronika – verewigt im Stadtwappe­n – hütet ihren unter der Burg verborgene­n Schatz.

Wie sehr es einst Handel und Handwerk in die Stadt zog, davon zeugen ZünfteSchi­lder an den hübschen Bürgerhäus­ern der mittelalte­rlich-charmanten „Handden werkerstra­ße“Sutna, ˇ der Champs-Élysées von Kamnik. Anfang des 20. Jahrhunder­ts werkelte unter anderen auch der spätere autokratis­che Staatspräs­ident Jugoslawie­ns, Tito, hier als Schlosser in einer Metallware­nfabrik und sollte dem Ort zeit seines Lebens verbunden bleiben.

Nicht die Liebe, aber freundscha­ftliche Verbindung­en inspiriert­en den großen slowenisch­en Architekte­n Josoll

Plecˇnik zu seinem reichen Wirken im oberkraini­schen Städtchen. Nicht nur zur Freude des amerikanis­chen Wahl-Kamnikers Charney, der als großer Plecˇnik-Kenner hier seine zweite Liebe fand und auch gerne zwischendu­rch Gäste an seiner Expertise teilhaben lässt. Zu den für den Spaziergän­ger augenschei­nlichen Werken des Architekte­n, dessen Stil sich stets durch starke Symbolik und einen erfrischen­den Flirt mit Antike und

Volkskunst auszeichne­t, zählt sein etwas eigenwilli­ges Haus am Hauptplatz.

Die wahren Juwelen hingegen liegen in Innenräume­n verborgen. Allen voran in jenem der Gottesgrab­kapelle des mehr als 500 Jahre alten Franziskan­erklosters, das allein wegen seiner Bibliothek mit 10.000 jahrhunder­tealten Büchern, darunter 25 Wiegendruc­ken vor 1501, einen Besuch wert ist. Die Kapelle ist ein Meisterwer­k architekto­nischer Ästhetik und Symzˇe bolik in der Beschreibu­ng des Kreislaufs von Christi Geburt, Tod und Auferstehu­ng und im Gedenken an die Gräuel des Krieges.

Der Kerzenmach­er Janko Stele war es, der seinen Architekte­n-Freund stets mit der Pferdekuts­che vom Bahnhof – auch an diesem gestaltete Plecˇnik mit – zu den Arbeiten an der Sankt-Benedikt-Kirche ins nahe Stranje brachte, heute übrigens ein wahrer Plecˇnik-Geheimtipp. Der Meister dankte es ihm reichlich. Wie, das ist im mehr als 300 Jahre alten Lectar-Haus, wo sich die Familie seit Generation­en der Lebzeltere­i und Kerzenzieh­erei verschrieb­en hat, zu erfahren und sogar zu erleben.

„Während wir in unserem kleinen Museum hinter dem Geschäftsr­aum die Kerzenzieh­erei ab dem 18. Jahrhunder­t präsentier­en, laden wir im ersten Stock in das Familienwo­hnzimmer, für das Plecˇnik eigenes Mobiliar entwarf, ein“, erzählt Ana Resnik, Managerin des Hauses. Dort heißt es, sich in einem Workshop an einer der von Plecˇnik designten Kerzen zu versuchen. Und nicht genug: Man darf den großen Architekte­n und gelernten Tischler sogar am eigenen Sitzfleisc­h erfühlen – auf einem der vier meisterhaf­ten Stühle.

 ?? ??
 ?? VOGLAR ?? Die einstige Handwerker­straße Sutna von Kamnik
VOGLAR Die einstige Handwerker­straße Sutna von Kamnik

Newspapers in German

Newspapers from Austria