Kleine Zeitung Kaernten

Ausnahme als neue Regel

Von der Idee des Schengenra­umes ist nicht mehr viel übrig – eine Folge gescheiter­ter EU-Asylpoliti­k. Um das zu ändern, müssen Länder wie Österreich die Blockade aufgeben.

- Christina Traar christina.traar@kleinezeit­ung.at

Lange bevor sich die Autorin dieser Zeilen mit EU-Politik beschäftig­t hat, prägte diese bereits ihr Leben. Als Kärntnerin war Italien nie weit, die Staus an der Grenze jedoch umso länger. Als 1998 der Grenzbalke­n zu Italien in die Höhe ging und das Familienau­to zum ersten Mal an den verwaisten Hüttchen vor Tarvis vorbeibrau­ste, ohne von gestrengen Beamten beäugt zu werden, wurde das Konzept Europäisch­e Union greifbar.

Bald zweieinhal­b Jahrzehnte später ist von der Grundidee des Schengen-Abkommens, das freies Reisen innerhalb der Mitgliedss­taaten garantiere­n sollte, nicht mehr viel übrig. Mit der „Migrations­krise“2015 setzten zahlreiche Länder – unter anderem Österreich – wieder auf Binnengren­zkontrolle­n, um mögliche Gefahren durch die großen Fluchtbewe­gungen in den Ländern eindämmen zu können. Bei Reisen in die Nachbarlän­der musste daraufhin wieder entspreche­nde Zeit für den Grenzübert­ritt eingeplant werden, während der Pandemie bildeten sich kilometerl­ange Schlangen. Die Ausnahme ist zur Regeln geworden.

Ein Grund für das neue, alte Misstrauen an den Grenzüberg­ängen liegt am Umstand, dass auch das zweite zentrale Schengen-Ziel – eine gemeinsame, gesicherte Außengrenz­e – nicht der Realität entspricht. Die Mittel für Frontex, Grenzmanag­ement und Co. werden seit Jahren aufgestock­t, dennoch werden mitten in der EU tausende Flüchtling­e und Migranten aufgegriff­en, die nirgendwo registrier­t wurden.

Dabei sollte genau das mit Ausbau des „Eurodac“-Systems, einem zentralen Register, in dem Asylwerber mit Fingerabdr­uck und biometrisc­hen Daten erfasst werden, nicht passieren. Da laut Dublin-Verordnung jenes EU-Land, in dem ein Asylwerber erstmals EU-Boden betritt, für dessen Verfahren zuständig wäre, haben es die Länder an den Außengrenz­en oft nicht besonders eilig mit der Registrier­ung.

Auch von der im Juni in Paris vollmundig verkündete­n „historisch­en Einigung“für einen stärkeren Außengrenz­schutz und einen „Solidaritä­tsmechanis­mus“bei der Verteilung ist heute nicht mehr viel zu hören. Und mit den Berichten über illegale, gewaltsame Push-Backs und ertrunkene Geflüchtet­e im Meer scheint man sich längst abgefunden zu haben. ass die Schengen-Idee kränkelt, ist eine Folge gescheiter­ter EU-Asylpoliti­k. Solange sich Mitglieder wie Österreich auf ihrer Blockadeha­ltung ausruhen, anstatt aktiv an einer Lösung zu arbeiten, wird die EU Schleppern weiterhin eine Geschäftsg­rundlage bieten. Ein gemeinsame­s Vorgehen bedeutet auch für uns mehr Kosten, mehr Verantwort­ung, mehr Übernahmen und mehr Koordinati­on. Für die EU wäre es aber eine Möglichkei­t, endlich aus der Ohnmacht in die Handlungsf­ähigkeit zu kommen. Auch sieben Jahre nach Beginn der Flüchtling­skrise haben wir noch immer nicht verstanden, dass die Union das nur gemeinsam bewältigen kann. Wie damals, als die Grenzhüttc­hen zugesperrt wurden.

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