Kleine Zeitung Kaernten

Schnellsch­üsse geben Anlass zur Sorge

- Bernhard Rinner über die fatale Tendenz der Theater, sich nach Corona unter ihrem Wert zu verschleud­ern.

Allerorts wird die Hiobsbotsc­haft beschworen, die Theater wären wegen fehlenden Publikums in der Krise. Erklärunge­n sind auch gleich zur Stelle: Die Kultur befände sich im elfenbeine­rnen Turm und wäre zu teuer. Oberflächl­ich betrachtet mag dies richtig erscheinen. Allerdings befindet sich nach Corona in ganz Europa (!) zumindest ein Teil des Publikums im Wartesaal der Abholung durch die Kulturinst­itutionen.

Daher wirkt auch die aktuelle Koketterie mit dem gebetsmühl­enartigen „50 Prozent ist das neue Ausverkauf­t“nahezu fatal. Wenn bei der Nestroy-Gala ein Juryentsch­eid für einen Nestroy ohne den Faktor der Besuchende­nzahlen ausschlagg­ebend ist, dann sind wir wohl endgültig im Elfenbeint­urm angekommen. Allen Theaterver­treterinne­n und vertretern muss bewusst sein, was die „Nicht-Besucherfo­rschung“von Martin Tröndle 2019 feststellt­e: Der Schlüssel für das Interesse ist neben der Qualität die „Nähe“des Dargeboten­en zum Publikum. Das geht nur beim Herabsteig­en aus besagtem Turm.

Aktuell – wenn offenbar nichts mehr hilft – werden von Österreich bis in weite Teile Deutschlan­ds 7- oder 9 -Euro-Tickets feilgebote­n. Diese Schnellsch­ussmaßnahm­en geben Anlass zur Sorge. Wenn ausgerechn­et die Theater, die stets mit der Bedeutung von Sinn und Werthaltun­g ihrer Stücke warben, beginnen, ihre Aufführung­en leichtfert­ig am Publikumsm­arkt zu verschleud­ern, dann verkaufen sie sich unter ihrem Wert. Die Bühnen Graz gehen daher der tatsächlic­hen Motivlage durch eine Befragung der NichtMehr-Besuchende­n auf den Grund. Daraus resultiere­nd werden faktenbezo­gene (und nicht der Kaffeesudl­eserei folgende) Schlussfol­gerungen erarbeitet und das Publikum und deren Interessen noch stärker ins Zentrum unserer Aufmerksam­keit gerückt. erade in Zeiten der Nach-Corona-Publikumsk­rise dürfen die Theater keine vorschnell­en Schlüsse ziehen, denn sie würden jene Geister nicht mehr los, die sie leichtfert­ig riefen. Bernhard Rinner ist Geschäftsf­ührer der Bühnen Graz und Generalsek­retär des Theatererh­alterverba­ndes österreich­ischer Bundesländ­er und Städte.

„Der Schlüssel für das Interesse ist neben der Qualität die ,Nähe‘ des Dargeboten­en zum Publikum.“

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