Neuer Anlauf zum Schließen der Balkanroute
„Die Österreicher haben da einen Punkt“, räumte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson beim Sondertreffen der Innenminister ein: Die Balkanroute wird von Migranten wieder hoch frequentiert. Die Kommission will nun einen neuen Aktionsplan dagegen vorlegen – Ös
Ein Rettungsboot voller Flüchtlinge, das nicht anlegen durfte – es war ein „klassischer“Streit zwischen Italien und Frankreich, der zur Einberufung eines Sondertreffens der Innenminister führte. Eine Gelegenheit, die der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) dafür nutzte, Druck über ein Thema aufzubauen, das gar nicht auf der Tagesordnung stand. Österreich werde der für 8. Dezember geplanten Beschlussfassung über die Erweiterung des Schengenraumes um Kroatien, Rumänien und Bulgarien nicht zustimmen, so Karner: „Schengen funktioniert nicht.“
Während Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) inzwischen in Kroatien versuchte, die Irritationen darüber abzuschwächen – es ginge tatsächlich nur um die anderen beiden Länder, Kroatien erfülle die Voraussetzungen – kann sich Karner „aus jetziger Sicht die Erweiterung nicht vorstellen“. In Österreich gebe es eine unerträgliche Situation, allein heuer habe man über 100.000 Aufgriffe, davon 75.000 zuvor nicht registrierte Personen, verzeichnet. Es gebe ein Problem mit der Westbalkanroute: 40 Prozent der Migranten kämen direkt über Serbien, weitere 40 Prozent über Rumänien, Bulgarien und Ungarn und weitere 20 Prozent verteilt über andere Wege.
Gestern veröffentlichte Eurostat-Daten bestätigen das. EU-weit sind die AsylErstanträge im August um 17 Prozent gegenüber Juli gestiegen. Österreich liegt relativ zur Bevölkerung an erster Stelle. Allerdings ziehen sehr viele der Ankömmlinge weiter und bleiben nicht in Bundesbetreuung. Laut Grenzschutzagentur Frontex kamen in den ersten zehn Monaten 281.000 „undokumentierte Personen“über den Balkan in die EU.
Karner hat nun in einem Brief an die Kommission fünf konkrete Forderungen gerichtet: ein Pilotprojekt für Asylverfahren in einem EU
Land an der EU-Außengrenze, eine „Zurückweisungsrichtlinie“, mit der Einzelfallprüfungen nicht mehr erforderlich wären, Asylverfahren in sicheren Drittstaaten, die leichtere Aberkennung des Schutzstatus nach der Verfahrensrichtlinie auch bei nicht-schweren Straftaten sowie mehr Unterstützung von EU-Staaten für Frontex an der EU-Außengrenze und in Drittstaaten. Österreich warb bei anderen Ländern um Unterstützung dafür, erst am Donnerstag traf Karner mit dem tschechischen Ratsvorsitz sowie den ungarischen und slowakischen Amtskollegen zusammen.
In der EU-Kommission scheint der Aufschrei Gehör gefunden zu haben. In einem Interview mit dem Portal „Politico“führte Kommissarin Ylva Johansson ausdrücklich Österreich als einen der Gründe an, warum die Behörde nun einen Vorschlag zur – neuerlichen – Schließung der Balkanroute ausarbeiten werde. Der Plan soll noch vor dem
Westbalkangipfel am 6. Dezember fertig sein. Johansson: „Die Österreicher haben da einen Punkt. Wenn nicht alle Mitgliedsländer von Beginn an die Ankömmlinge registrieren, können wir die Migration nicht managen.“Die Kommission hat bereits vor zwei Jahren einen Vorschlag für eine neue Asyllösung gemacht, mit mageren Reaktionen. Zu Beginn dieser Woche legte sie einen Aktionsplan für die zentrale Mittelmeerroute vor.
Im Streit zwischen Frankreich und Italien, Ausgangspunkt des Sonderrats, fand sich übrigens keine Lösung. Frankreich bleibt hart; solange Italien die Häfen nicht für Rettungsschiffe öffne, werde Frankreich nicht wie zugesagt Tausende Migranten von Italien übernehmen.