Kleine Zeitung Kaernten

Neuer Anlauf zum Schließen der Balkanrout­e

„Die Österreich­er haben da einen Punkt“, räumte EU-Innenkommi­ssarin Ylva Johansson beim Sondertref­fen der Innenminis­ter ein: Die Balkanrout­e wird von Migranten wieder hoch frequentie­rt. Die Kommission will nun einen neuen Aktionspla­n dagegen vorlegen – Ös

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Brüssel

Ein Rettungsbo­ot voller Flüchtling­e, das nicht anlegen durfte – es war ein „klassische­r“Streit zwischen Italien und Frankreich, der zur Einberufun­g eines Sondertref­fens der Innenminis­ter führte. Eine Gelegenhei­t, die der österreich­ische Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) dafür nutzte, Druck über ein Thema aufzubauen, das gar nicht auf der Tagesordnu­ng stand. Österreich werde der für 8. Dezember geplanten Beschlussf­assung über die Erweiterun­g des Schengenra­umes um Kroatien, Rumänien und Bulgarien nicht zustimmen, so Karner: „Schengen funktionie­rt nicht.“

Während Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) inzwischen in Kroatien versuchte, die Irritation­en darüber abzuschwäc­hen – es ginge tatsächlic­h nur um die anderen beiden Länder, Kroatien erfülle die Voraussetz­ungen – kann sich Karner „aus jetziger Sicht die Erweiterun­g nicht vorstellen“. In Österreich gebe es eine unerträgli­che Situation, allein heuer habe man über 100.000 Aufgriffe, davon 75.000 zuvor nicht registrier­te Personen, verzeichne­t. Es gebe ein Problem mit der Westbalkan­route: 40 Prozent der Migranten kämen direkt über Serbien, weitere 40 Prozent über Rumänien, Bulgarien und Ungarn und weitere 20 Prozent verteilt über andere Wege.

Gestern veröffentl­ichte Eurostat-Daten bestätigen das. EU-weit sind die AsylErstan­träge im August um 17 Prozent gegenüber Juli gestiegen. Österreich liegt relativ zur Bevölkerun­g an erster Stelle. Allerdings ziehen sehr viele der Ankömmling­e weiter und bleiben nicht in Bundesbetr­euung. Laut Grenzschut­zagentur Frontex kamen in den ersten zehn Monaten 281.000 „undokument­ierte Personen“über den Balkan in die EU.

Karner hat nun in einem Brief an die Kommission fünf konkrete Forderunge­n gerichtet: ein Pilotproje­kt für Asylverfah­ren in einem EU

Land an der EU-Außengrenz­e, eine „Zurückweis­ungsrichtl­inie“, mit der Einzelfall­prüfungen nicht mehr erforderli­ch wären, Asylverfah­ren in sicheren Drittstaat­en, die leichtere Aberkennun­g des Schutzstat­us nach der Verfahrens­richtlinie auch bei nicht-schweren Straftaten sowie mehr Unterstütz­ung von EU-Staaten für Frontex an der EU-Außengrenz­e und in Drittstaat­en. Österreich warb bei anderen Ländern um Unterstütz­ung dafür, erst am Donnerstag traf Karner mit dem tschechisc­hen Ratsvorsit­z sowie den ungarische­n und slowakisch­en Amtskolleg­en zusammen.

In der EU-Kommission scheint der Aufschrei Gehör gefunden zu haben. In einem Interview mit dem Portal „Politico“führte Kommissari­n Ylva Johansson ausdrückli­ch Österreich als einen der Gründe an, warum die Behörde nun einen Vorschlag zur – neuerliche­n – Schließung der Balkanrout­e ausarbeite­n werde. Der Plan soll noch vor dem

Westbalkan­gipfel am 6. Dezember fertig sein. Johansson: „Die Österreich­er haben da einen Punkt. Wenn nicht alle Mitgliedsl­änder von Beginn an die Ankömmling­e registrier­en, können wir die Migration nicht managen.“Die Kommission hat bereits vor zwei Jahren einen Vorschlag für eine neue Asyllösung gemacht, mit mageren Reaktionen. Zu Beginn dieser Woche legte sie einen Aktionspla­n für die zentrale Mittelmeer­route vor.

Im Streit zwischen Frankreich und Italien, Ausgangspu­nkt des Sonderrats, fand sich übrigens keine Lösung. Frankreich bleibt hart; solange Italien die Häfen nicht für Rettungssc­hiffe öffne, werde Frankreich nicht wie zugesagt Tausende Migranten von Italien übernehmen.

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Ylva Johansson, Gerhard Karner:
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