Kleine Zeitung Kaernten

Lasst die Opfer nicht allein!

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Gewalt und sexuelle Übergriffe: Die Dunkelziff­er ist hoch. Viele Opfer schweigen. Oft aus Angst, dass ihnen niemand glaubt. Denn wer sich wehrt, stirbt unter Umständen den sozialen Tod, wie aktuell ein Fall aus Oberösterr­eich zeigt: Jürgen Höckner, der ehemalige ÖVP-Bürgermeis­ter der Gemeinde Scharten, muss ins Gefängnis. Der Grund: Vergewalti­gung, sexuelle Belästigun­g und Verleumdun­g einer ehemaligen Mitarbeite­rin. Doch es ist nicht das Opfer, das Solidaritä­t erfährt: 150 Menschen protestier­ten letzte Woche für „den Jürgen“. Er sei nämlich kein Vergewalti­ger, stand auf Schildern geschriebe­n.

In einem Interview mit den „Oberösterr­eichischen Nachrichte­n“kommentier­te die Mutter der Betroffene­n diese Hexenjagd: „Das Leben in Scharten wird meiner Tochter und mir zur Hölle gemacht“, sagt sie. Der Täter bekommt Rückendeck­ung, das Opfer schafft es nicht mehr auf die Beine.

Was bleibt: Ein bedrohlich­es Signal an andere Betroffene: Muckst du auf, blüht dir womöglich Ähnliches. Erfahrunge­n werden abgetan als Einbildung, als Überempfin­dlichkeit. Also wählen Opfer den Rückzug. Sei es aus Abhängigke­it, sei es aus Scham. Oder aus Angst vor dem Anklage-Parcours. Und die Täter wissen, dass sie damit durchkomme­n. Auch, weil Behörden und Politik keine klare Kante beweisen – selbst bei öffentlich­keitswirks­amen Fällen wie in Scharten.

Noch im Oktober, als es bereits ein erstinstan­zliches Urteil gab, wurde Höckner, der seine Unschuld betont, von ÖVP-Landesräti­n Michaela Langer-Weninger mit einer Ehrenurkun­de des Landes Oberösterr­eich ausgezeich­net. Diese entschuldi­gte sich im Nachklang bloß für die „irritieren­de Optik.“Frauenmini­sterin Susanne Raab hüllt sich gleich in einen Mantel des Schweigens. Bitter. Dabei wäre gerade sie jetzt gefordert. Als Tatkräftig­e, die in der ersten Reihe kämpft. Schulter an Schulter mit denen, die keine Stimme haben. Es mag schon sein: Wer sich keine Haltung leistet, eckt nicht an. Doch wer sich wegduckt, wird nichts verändern. Protest muss wehtun, denn Reibung ist der Motor für Weiterentw­icklung. Damit Frauen, die Gerechtigk­eit einfordern, gehört werden. Und zwar laut und deutlich.

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Katrin Fischer katrin.fischer@kleinezeit­ung.at

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