Der Rauchmelder
Mehr Geld oder ihr kriegt ein schlechteres Programm: Der neue ORF-General offenbart ein verstörendes Management- und Kunden-Verständnis.
Roland Weißmann, Generaldirektor des ORF, hat am Wochenende eine mit nötigendem Unterton verfasste Alarmmeldung abgesetzt. Durch die Folgen der wirtschaftlichen Verwerfungen steuere das Unternehmen auf „eine der größten Finanzkrisen der ORF-Geschichte“zu. Sollte die Finanzierung der größten Medienorgel des Landes nicht „nachhaltig“abgesichert werden, könne der gesetzliche Auftrag nicht mehr erfüllt werden. Dann drohten inhaltliche Einschnitte, die den Sehern und Hörern nicht mehr verborgen bleiben würden.
Mit Verlaub: Das war eine Selbstentblößung, die kein privater Manager überleben würde. Ein Kapitän, der in einer krisenhaften Situation so an seine Eigentümer heranträte, wäre seiner Funktionen ledig. Generaldirektor Weißmann hat nämlich mit seiner Rauchmeldung nichts anderes getan, als die eigene unternehmerische Verantwortung auf frivole Weise an die Eigentümervertreter, in diesem Fall an den Stiftungsrat, die Politik und letztlich an die Gebührenzahler, umzuwälzen, und das Monate nach erfolgter Gebührenerhöhung. Die Drohgebärde erinnert an einen rauen Schlager aus den 70ern: Hey, Boss, ich brauch mehr Geld. Nur singt jetzt nicht der ausgezehrte Hackler, sondern Roland Weißmann, der Boss. Das ist schräg.
Das Bündel an äußeren Widrigkeiten, das er beklagt, bringt derzeit alle Medienhäuser in Bedrängnis, vom Einbruch der Werbeeinnahmen bis zu den Energiekosten. Niemand banalisiert hier die Herausforderung durch den schrillen Ruf nach mehr Geld. Niemand droht ungeniert mit schlechteren Leistungen, falls das geforderte zusätzliche Geld des Staates oder der Haushalte ausbleibt. Alle widmen sich der radikalen Selbstüberprüfung und Redimensionierung des eigenen Tuns: Rückbesinnung auf die Kernkompetenz, Eindämmung kostspieliger Ausfransungen, Politur verfestigter Strukturen, Transparenz und Demut gegenüber den Lesern, runter vom Ross.
Übersetzt auf den ORF hieße das: Was im amerikanisierten Konserven-Reich von ORF 1 ist noch öffentlich-rechtlich, was legitimiert ihn, wo bin ich unverwechselbar und identitätsrelevant, bin ich pluralistisch genug, wo bevormunde ich ungefragt (Eingriff in die Sprache), wo überhöhe ich mich („einziger Garant eines öffentlichen Diskurses“), worin sind die Privaten besser, jünger und flinker (Morgen), wo halten sich in Verwaltung und Strukturen Rest-Wucherungen aus besseren Tagen und: Wie bereite ich mich auf die Frage aller Fragen vor, wenn sie wie in der Schweiz auch hierzulande in einem Referendum gestellt werden sollte: Bürger, braucht ihr uns noch? ublizistische Autorität sein nach innen und außen: Es gibt gute Gründe, die Frage zu bejahen. Aber mit fordernder Hybris von gestern ist dieses Ja nicht mehr zu kriegen. Diese Zeiten sind vorbei.
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