Kleine Zeitung Kaernten

„Rotes Kreuz wird mit Taxi verwechsel­t“

INTERVIEW. Martin Pirz über die zunehmende Zahl an Krankentra­nsporten, den Rückgang bei den Freiwillig­en, Transparen­z bei Finanzen und seinen Einsatz als Notarzt.

-

Ihr Vorgänger Peter Ambrozy war Landeshaup­tmann, SPÖ-Chef und 25 Jahre lang Rotkreuz-Präsident. Wie groß war die Herausford­erung, in solche Fußstapfen zu treten? MARTIN PIRZ: Zu verstehen, wie groß das Rote Kreuz ist, wo wir stehen und wo die Entwicklun­g hingehen könnte, war die größte Herausford­erung. Ich war schon Vizepräsid­ent und es gab den Wunsch, dass das jemand macht, der von der Basis kommt. Das Rote Kreuz ist heute anders aufgestell­t als vor 25 Jahren. Wir haben 1300 hauptamtli­che Mitarbeite­r, 3800 Freiwillig­e und 160 Zivildiene­r.

In der Coronakris­e haben Sie viele ehrenamtli­che Mitarbeite­r zu Hauptamtli­chen gemacht. Fehlen jetzt die Freiwillig­en?

Nein, aber wir haben durch die Pandemie 15 bis 20 Prozent der Ehrenamtli­chen verloren. Manche wollten nicht, manche haben sich nicht mehr getraut, zum Teil haben Firmen abgeraten. Auch das Vereinsleb­en mit Ausflügen und Feiern ist etwas zum Stillstand gekommen.

Wird das Freiwillig­ensystem bald am Ende sein?

Nein, das wird hoffentlic­h nie passieren. Wenn das am Ende ist, dann ist die Zivilisati­on am Ende. Es wird immer Menschen geben, die sich freiwillig engagieren wollen. Ehrenamtli­chkeit ist das höchste Gut. Wir müssen der Gesellscha­ft den Wert vermitteln.

Aber wie wollen Sie das Ehrenamt attraktive­r machen?

Wir wollen besser auf Wünsche und Beschwerde­n reagieren, das Aus- und Weiterbild­ungsangebo­t erweitern, das Freizeitan­gebot verbessern, in der Dienstplan­ung flexibler werden. Und mit einer neuen Uniform soll das Rote Kreuz wieder präsenter werden.

Werden die Freiwillig­en weniger, weil sie vom Roten Kreuz

einfach zu wenig bekommen? Wertschätz­ung

Das glaube ich nicht. Die Wertschätz­ung ist auf jeden Fall da. Das Rote Kreuz wird immer und überall gerufen – es ist der niederschw­elligste Zugang zum medizinisc­hen System. Aber man merkt den Ärztemange­l. Wenn kein ärztlicher Bereitscha­ftsdienst da ist, wählt man 144. Bei unserer Kernaufgab­e Kranken- und Rettungstr­ansport haben wir eine enorme Steigerung.

Menschen lassen sich vom Roten Kreuz ins Krankenhau­s chauffiere­n, anstatt zum Hausarzt zu gehen?

Genau so ist es. Die Bevölkerun­g verwechsel­t manchmal das Rote Kreuz mit einem Taxiuntern­ehmen. Das sind wir aber nicht. Die Leute rufen einfach an und sagen, dass sie ins Krankenhau­s wollen.

Liegt das nur an den Patienten oder auch an den Leitstelle­n? Einen Notfall am Telefon abdavon

ist schwierig. Der den Einsatz entgegenni­mmt, kann nicht von sich aus sagen: Nein, wir kommen nicht. Mir ist lieber, wir fahren einmal zu viel als einmal zu wenig. Aber wenn ich selber gehen und sitzen kann, dann brauche ich eigentlich kein qualifizie­rtes Rettungsmi­ttel.

Sie werden ja für einzelne Fahrten bezahlt – das ist doch eine willkommen­e Einkommens­quelle für das Rote Kreuz?

Als Betriebswi­rt sage ich: Wenn die Garage leer ist, leuchten meine Augen – denn wenn die Räder rollen, rollt der Rubel.

Also ist es Ihnen recht, wenn die Garage immer leer ist?

Nein, weil das auch auf Kosten unserer Mitarbeite­r geht. Natürlich kriegen wir Geld dafür, aber das geht sich so nicht aus. Wir fahren viele Transporte, wo eigentlich kein Rotes Kreuz hingehört. Früher wurden Patienten ins Kranken

haus gebraucht, wenn vorher ein Arzt da war und es einen ausgefüllt­en Transports­chein gab. Mit der Pandemie ist das gefallen. Das sollte wieder geändert werden.

Weil die Belastung für die Mitarbeite­r zu hoch wird?

Ja, absolut. Wenn ich als Berufstäti­ger die ganze Nacht unterwegs bin, kann ich das nicht mehr machen. Unter der Woche bekommen wir deshalb Probleme, das Ganze ehrenamtli­ch zu besetzen.

Das Land Kärnten hat den Rettungseu­ro um 18,6 Prozent auf 13,3 Millionen Euro erhöht. 11,2 Millionen Euro davon bekommt das Rote Kreuz. Sie wollen aber noch mehr Unterstütz­ung?

Wir werden über kurz oder lang noch einmal bei der Landesregi­erung vorstellig werden. Die Erhöhung des Rettungseu­ros geht 1:1 für die Teuerung drauf: Stromkoste­n in Einsatzste­llen, Spritkoste­n für die Autos. Ich habe jetzt eizuschätz­en, nige Rettungsau­tos bestellt: Lieferzeit 16 Monate! Auch über einen Teuerungsa­usgleich für die Mitarbeite­r werden wir reden müssen. Die Kollektivv­ertragsver­handlungen kommen dann auch noch.

Wäre eine Berufsrett­ung, wie etwa in Wien, sinnvoll?

Derzeit nicht. Unsere Aufgaben noch klarer darzustell­en, wird notwendig sein. Wir haben viele Tätigkeits­felder – Team Österreich Tafel, Besuchsdie­nst etc. Es geht nicht nur um Blaulicht und Action.

Der langjährig­e Geschäftsf­ührer hat das Rote Kreuz nach 20 Jahren verlassen. Warum?

Das ist ein laufendes Arbeitsrec­htsverfahr­en. Dazu möchte ich nichts sagen.

Kurz nach Ihrer Wahl kam auch der Vorwurf der Unvereinba­rkeit auf: Sie fliegen beim ÖAMTC als Notarzt, obwohl das Rote Kreuz an der ARA-Flugrettun­g beteiligt ist und Sie Ein

sicht in Bilanzen nehmen könnten. Warum machen Sie das?

Ich bin draußen als Notarzt tätig – da interessie­ren mich keine Bilanzen, sondern nur Patienten. Ich fliege nach wie vor einmal im Monat für den ÖAMTC. Das machen auch hauptberuf­liche RotkreuzMi­tarbeiter. Ich bin ein Ehrenamtli­cher wie jeder andere und bekomme kein Geld für meine Tätigkeit als Präsident. Und ich nutze ein Dienstfahr­zeug des Verbandes.

Vor drei Jahren gab es in Kärnten Mitarbeite­rproteste und Streikdroh­ungen wegen Nachtdiens­tund Feiertagsz­ulagen. Das Thema wurde gelöst, die Forderung nach einer Offenlegun­g der Bilanzen aber bis heute nicht erfüllt. Warum?

Das Rote Kreuz wird mehrfach von Wirtschaft­sprüfern und Steuerbera­tern geprüft. Meines Wissens war immer jede Bilanz sauber. Wir haben sehr viele Spender – da wäre es unverantwo­rtlich, dieses Geld nicht sinnvoll einzusetze­n.

Inwieweit ist das Rote Kreuz noch im Corona-Einsatz?

Wir betreiben nach wie Test- und Impfstraße­n. vor

Was halten Sie von einer Impfpflich­t im Gesundheit­sbereich?

Das wird mit Sicherheit kein Thema mehr werden. Ein Problem wird, dass Grüne Pässe ablaufen werden. Da wird man sich für Besuche in Krankenhäu­sern oder Heimen etwas überlegen müssen.

 ?? ??
 ?? TRAUSSNIG ?? Martin Pirz übernahm im Juli von Peter Ambrozy das Präsidente­namt beim Roten Kreuz: „Wir müssen sparen, aber nicht bei den Mitarbeite­n“, betont er
TRAUSSNIG Martin Pirz übernahm im Juli von Peter Ambrozy das Präsidente­namt beim Roten Kreuz: „Wir müssen sparen, aber nicht bei den Mitarbeite­n“, betont er

Newspapers in German

Newspapers from Austria