Kleine Zeitung Kaernten

Fast verliebt Offene Ehe

Die rätselhaft­e Welt der menschlich­en Beziehunge­n – von wahren Begebenhei­ten inspiriert. Sind Menschen, die ihre Beziehung öffnen, reifer als solche, die an Monogamie glauben?

- Claudia Schumacher

Monogamie“, sagt meine Freundin beim zweiten Bier: „das ist die Quadratur des Kreises. Wir Menschen können das nicht.“Ich muss lachen. Sie selbst ist seit Jahren verheirate­t, meines Wissens monogam – aber ihre steilen Thesen stehen selten auf dem Boden ihrer Lebensreal­ität. Ich erinnere mich, wie sie einmal erzählte, wegen ihrer Blutgruppe wäre die gesündeste Ernährungs­weise für sie Paleo mit viel Fleisch. Dabei isst sie mit Vorliebe vegetarisc­h.

Ich fürchte schon, dass sie gleich sagt, was Großstädte­rinnen dieser Tage häufiger sagen: „Wir haben uns überlegt, unsere Beziehung zu öffnen, also auch mit anderen Leuten zu schlafen.“Wahrschein­lich habe ich als Kind zu viele Disney-Filme gesehen, denn mir entfährt dann immer fast ein „Ach, wie schade!“Ich verkneife mir das aber, schließlic­h will ich progressiv wirken. „Wieso denn auch noch mit anderen schlafen?“, sage ich dann in der Regel nur: „Ihr seid doch beide so gestresst von der Arbeit, dass ihr seit Jahren kaum dazu kommt, miteinande­r zu schlafen.“

„Wie viele Menschen bist du?“, fragt meine Freundin unerwartet in meine Vorahnung hinein. „Was meinst du?“, frage ich. „Na, also: Ich zum Beispiel, ich bin ganz viele unterschie­dliche Menschen“, erklärt sie: „Ich habe eine verspielte Seite, eine harte, eine weiche, eine triebhafte, eine ernste, eine alberne, eine ehrgeizige, eine faule – das ist jetzt nur eine kleine Auswahl!“In ihr drinnen gehe es zu wie in einer Kommune, oder: „Wie in einem Zirkus, verstehst du?“Ihre Haut und alles, was man von außen sehe: Das sei praktisch nur das Zelt, das den Zirkus beherberge. enn wir ehrlich sind, scheitert Monogamie, weil wir einer Illusion aufsitzen“, sagt sie: „Es ist nie so, dass nur zwei Menschen zusammenpa­ssen müssen.“Vielmehr gehe es darum, zwei Zirkusse zu vereinen. Das gelinge nur, wenn am Ende jeder in der Belegschaf­t ein passendes Ge

Wgenüber beim anderen Zirkus finde. Alles, was ungepaart bleibe, probe früher oder später den Aufstand, beziehungs­weise: den Seitenspru­ng oder die Scheidung. „Weshalb wir uns überlegt haben“, sagt meine Freundin ihn also doch, den Satz: „unsere Beziehung auch für andere zu öffnen.“ch, wie schade“, rutscht es mir nun doch heraus. „Sei kein Kind“, sagt die Freundin. Trotzig denke ich, dass sie ein Feigling ist und dieses ganze „offene Ehe“-Ding bloß eine aufgeschob­ene Trennung. Da sagt sie: „Aus meiner Sicht gibt es nichts Feigeres als Serienmono­gamie.“Natürlich könne sie sich scheiden lassen, wieder jemanden finden, vielleicht sogar erneut heiraten. „Aber das wäre nur eins: nicht zu Ende gedacht.“Ein Mensch könne einen anderen niemals vollkommen zufriedens­tellen. Damit das Ganze also nicht in bitterem Frust ende, meint sie, sei es lediglich ein Zeichen von Reife, auch andere Menschen ranzulasse­n – oder etwa nicht?

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