Deutschland geht zur Welt auf Distanz
Die Anspannung im Lager der Deutschen ist vor dem entscheidenden Spiel gegen Spanien gewaltig. Solo von Bundestrainer Flick. Bei Niederlage ist es wohl vorbei.
Abgesehen von vielen anderen Besonderheiten geht Katar auch als WM der kurzen Wege in die Geschichte ein. Dies gilt, relativ betrachtet, jedoch nicht für die deutsche Nationalmannschaft. Diese hat sich vom Rest der im Wüstenstaat versammelten Fußballwelt abgeschottet und im hohen Norden des 11.000 km² kleinen Emirats verschanzt, 110 Kilometer vom Zentrum in Doha entfernt. Doch von Ruhe kann keine Rede sein. Nur die Belgier sind übrigens ähnlich weit weg untergebracht, am anderen Ende, 90 Kilometer südlich von Doha, alle anderen logieren im Großraum der Hauptstadt.
Die Deutschen hatten wohl gedacht, die gesamte sportliche Weltpresse könnte den Weg in ihr Quartier antreten. Doch eine solche Extrawurst wurde seitens der FIFA nicht als Leckerli betrachtet. Alle Abschluss-Termine haben in Doha stattzufinden. So trat Hansi Flick alleine auf. Seinem Spieler sei die „dreistündige Tour“, nicht zuzumuten. Ist ja auch wirklich viel, was so in den vergangenen Tagen alles über die
DFB-Auswahl hereinbrach. Auf das Desaster um die „OneLove“-Binde folgte die Pleite gegen Japan.
Nun sind solche Pressekonferenzen nicht dafür bekannt, dass dort die letzten großen Geheimnisse gelüftet werden, aber zumindest das eine oder andere abschließende Statement eines Spielers wäre interessant gewesen, wie etwa die Antwort auf die Frage, was es mit den Unstimmigkeiten innerhalb der Mannschaft auf sich habe. Schließlich nahm sogar DFB-Direktor Oliver Bierhoff in einem TV-Interview Bezug auf die Reibereien. Die „Elf Freunde“-Zeiten seien vorbei und außerdem habe es das früher ja eh auch nicht gegeben. Und Konflikte seien „auch immer gut“.
Das gegen das Anstandsgebot verstoßende Solo von Hansi Flick am Vorabend des schon über Sein oder Nichtsein des erfolgsverwöhnten Teams entscheidenden Matches gegen Spanien kann nur so interpretiert werden, nämlich, dass die Lage im deutschen Lager ganz schön angespannt ist. Die fällige Geldstrafe durch die FIFA ist ein Tertiärmerkmal. Schwerer wiegen andere Faktoren, etwa die internen Diskrepanzen – Spieler (Gündogan)
kritisiert die Kollegen – oder die harten Urteile von außen, wie vom einstigen Klassenkollegen Bastian Schweinsteiger. Das hat Spuren hinterlassen. Das Team wirkt gezeichnet, und die Stärke des Gegners bietet auch keinen besonderen Anlass für deutschen Optimismus. Die Ausgangslage ist ziemlich klar, wenn die Partie angepfiffen wird. Denn das Ergebnis zwischen Japan und Costa Rica ist dann schon bekannt. Haben die Japaner gewonnen oder einen Punkt geholt, ist das deutsche Aus bei einer Niederlage besiegelt. Bei einem Unentschieden gäbe es noch eine minimale Chance.
Deutschland verfügt offensiv über viel Qualität, kann es hier mit Spanien aufnehmen, doch die Defensive ist angeschlagen und die Iberer befinden sich nach dem 7:0 gegen Costa Rica in Hochstimmung. Der Weg zum Erfolg führt auch über die Spielkontrolle. Beide Teams hatten seit Beginn der Erfassung dieser Daten 2014 in jeder ihrer WM-Partien mehr Ballbesitz als der Gegner. Im direkten Duell ist aufgrund der Ausgangslage hier den Spaniern der Vorzug zu geben.