Ein Unfall
Eigentlich wollte ich über die Deutschen schreiben, über die Katar-Stimmung bei unseren Lieblingsnachbarn, die trotz guter Leistung abgebissen haben und jetzt vom Who is Who der Besserwisserei (Breitner, Matthäus, Schweinsteiger) abgewatscht werden. Zu soft, ein Rückgrat wie Käsekuchen … Plötzlich sind die deutschen Tugenden nicht mehr Kampf und Duseltore, sondern Mülltrennung und Binden. Eigentlich wollte ich fragen, auf wen das FlickTeam im Achtelfinale trifft, um dann süffisant zu antworten: auf das Flughafenpersonal.
Aber dann ist mir ein anderer Unfall dazwischengekommen. Freitagmorgen geriet eine ehemalige österreichische Fußballspielerin mit ihrem Auto erst auf die Begrenzung, verriss dann ihr Fahrzeug und krachte frontal in ein entgegenkommendes Gefährt. Für den Lenker, einen zweifachen Vater, kam jede Hilfe zu spät. Bei der Rekordtorschützin wurde eine Minderalkoholisierung (0,54 Promille) festgestellt. Übermüdung, Restfetten, ein Blick aufs Handy? Jedenfalls hat ein Aussetzer mehrere Leben zerstört. Solche Sachen liest man und ist selten lang betroffen. Vermutlich wäre auch diese Meldung an mir abgeperlt, wenn ich Nina Burger nicht jüngst zufällig an jener Stelle, wo sich nun der Unfall ereignet hat, nämlich in Langenrohr bei Tulln, getroffen hätte. Allerdings auf dem Radweg. Sie fuhr freihändig und hatte ein breites Grinsen im Strahlefraugesicht. Ich erkannte sie sofort. Sogar meine Freundin, die aus Deutschland stammt und sich für Fußball nur mäßig interessiert, wusste auf Anhieb ihren Namen. Und nun wird dieser fröhliche, sympathische Mensch mit einer schweren Bürde leben müssen, zwei Kinder wachsen ohne Vater auf, einer Frau fehlt der Mann. Alles wegen einem kurzen Blackout. egen solche Dramen ist Fußball bedeutungslos. Da wirkt es lächerlich, sich über Abpfiffzeiten aufzuregen – selbst der beste Geschirrspüler hat keine so lange Nachspülzeit. Auch die Deutschen hatten Aussetzer im gut geölten Getriebe. Plötzlich ist der hochgepriesene Flick nur Butter auf die Fische oder Foda für die Löw, hat man japanische Angst vor Costa Rica, Schlotterbeck in den Füßen und Süle im Knie. Alles gut, wie meine deutschen Freunde gerne sagen? Nicht die Bohne. Trotzdem glaube ich, dass Hefemanien, Germ kennt man nicht, wenn es irgendwie (schwer vorstellbar) gegen Spanien gewinnt, gute Chancen auf den Titel hat. Psychologie! b aber Nina Burger und den Hinterbliebenen eine Rückkehr ins Leben gelingt? Ich drücke sämtliche Daumen. Alles Gute! Für Autofahrer jedoch gilt: Eine natürliche Bewegung, wenn man sich das bei manchem Hand-Elfmeter fragt, ist nicht die des Bierglases zum Mund, sondern der Ruf nach einem Taxi, sobald man etwas intus hat, weil lässig fahren ist, wie schon der Name sagt: fahrlässig.
Und lebensgefährlich! Franzobel, 1967 in Vöcklabruck geboren, ist Schriftsteller und Sportfan.
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