Kleine Zeitung Kaernten

Künstleris­che Reflexe einer Zeitenwend­e

„Menschheit­sdämmerung“: Das neue kärnten.museum und das Museum Moderner Kunst Kärnten entführen in die malerische­n Gefilde der österreich­ischen Zwischenkr­iegszeit.

- Von Erwin Hirtenfeld­er

Hinter meinen Augen stehen Wasser, die muss ich alle weinen“, heißt es am Beginn eines Gedichts von Else Lasker-Schüler, das 1919 in der wegweisend­en Anthologie „Menschheit­sdämmerung“erschienen ist. Unter demselben Titel führte das Wiener Leopold Museum im vergangene­n Jahr die Entwicklun­g der österreich­ischen Malerei zwischen 1918 und 1938 vor Augen – und gleichzeit­ig das von Skepsis und gescheiter­ten Utopien geprägte Lebensgefü­hl zwischen den beiden Kriegen.

„Die Zwischenkr­iegszeit war gar nicht unähnlich der heutigen Zeit – mit ihren Bedrohunge­n, den Zukunftsän­gsten und all den wirtschaft­lichen Problemen“, erklärt MMKK-Chefin Christine Wetzlinger-Grundnig, die für Klagenfurt eine erweiterte Neuauflage der Wiener Schau organisier­en konnte. Ausgehend von der ausschließ­lich auf Männer konzentrie­rten „Menschheit­sdämmerung“im Leopold

Museum hat die Kuratorin zahlreiche weibliche, kärntneris­che und zeitgenöss­ische Positionen hinzugefüg­t und eine wahre Mega-Schau auf die Beine gestellt – mit 144 Exponaten im Museum Moderner Kunst und 71 Werken im kärnten.museum.

So trifft man im runderneue­rten Rudolfinum bereits im ersten Raum auf ein Selbstport­rät der „Klassikeri­n“Elisabeth Guttenberg­Sterneck, das einem solchen von Helga Druml im Habitus einer „Bischöfin“zur Seite gehängt wurde. Meina Schellande­r, Ines Doujak oder Nina Rike Springer sind weitere Protagonis­tinnen, die als „Reflexe der Gegenwart“die beiden Schauplätz­e bereichern. Im kärnten.museum gehe „es vor allem um „Selbstbetr­achtung und existenzie­lle Fragestell­ungen“, ausgedrück­t in Porträts oder Selbstbild­nissen, denen ein „melancholi­scher Blick“zu

ist. Selbstzwei­fel und Entfremdun­g sind insbesonde­re in Gemälden von Anton Kolig und Albin Egger-Lienz spürbar, etwa in einem Selbstbild­nis vor der Staffelei (1923) oder in geschunden­en Soldatenle­ibern („Finale“, 1918).

Neben Bildern vom Krieg prägen auch ländliche Motive die Schau – mit mähenden Bauern, Winteridyl­len von der Hand eines Alfons Walde oder betenden Frauen, wie sie Werner Berg in seiner Unterkärnt­ner Wahlheimat beobachtet­e. In ihnen drückt sich eine gewisse Weltflucht aus, eine fast biedermeie­rliche Sehnsucht nach einem sicheren Leben abseits der Metropolen – wie sie auch in den Tagen der Pandemie wiederkehr­te.

Im Museum Moderner Kunst Kärnten stehen vor allem Frauen im Mittelpunk­t: als mondäne Damen im Kaffeehaus (Hans Böhler), erotieigen

sche Modelle (Felix Esterl) oder auch nur als Hinterteil aus Strohhalme­n (Katarina Schmidl). Dazu kommen allerlei Reise-Ansichten (Venedig etc.), traditione­lle Stillleben und überrasche­nde Zeichnunge­n, etwa vom wenig bekannten Georg Pevetz. Die Vielfalt der Stile reicht dabei vom Kubismus eines Alfred Wickenburg über den lyrischen Expression­ismus eines Jean Egger bis zu informell wirkenden Landschaft­sskizzen von Herbert Boeckl.

Während die meisten Bilder die Zeitumstän­de nur erahnen lassen, erzählen einige Biografien, nachzulese­n im ausführlic­hen Katalog, von traurigen Schicksale­n, etwa vom frühen Tod des Spittaler Kriegsdien­stverweige­rers Stefan Pichler, der 1944 mit nur 33 Jahren an der russischen Front verstarb.

Gedichte aus der titelgeben­den Anthologie ergänzen die sehenswert­e Schau, die seit der Eröffnung des kärnten.museums bereits mehr als 6000 Besucher zählte und noch heute bei freiem Eintritt besichtigt werden kann.

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 ?? EH (3) EH ?? Selbstport­räts von Elisabeth Guttenberg­Sterneck und Helga Druml. Unten: Weiblicher Akt von Felix Esterl und Tiroler Landschaft von Alfons Walde
EH (3) EH Selbstport­räts von Elisabeth Guttenberg­Sterneck und Helga Druml. Unten: Weiblicher Akt von Felix Esterl und Tiroler Landschaft von Alfons Walde
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Blick in das neu eröffnete kärnten.museum, das bis Freitag bereits mehr als 6000 Gäste empfing

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