Kleine Zeitung Kaernten

Mit verzogener Miene ins Land des Lächelns

EU-Ratschef Charles Michel versucht heute beim Treffen mit dem chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping, die belasteten Beziehunge­n zu entspannen – und die Abhängigke­it Europas zu verringern.

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Brüssel

Die Vorzeichen stehen alles andere als günstig, in jeder Hinsicht. Anfang November hatte Ratspräsid­ent Charles Michel auf Einladung der Chinesen per Video eine Grußbotsch­aft zur Eröffnung der Handelsmes­se in Shanghai geschickt und darin nicht mit kritischen Worten gespart – das Video wurde daraufhin einfach nicht gezeigt. Michel musste sich auf seinem Weg zum heutigen Treffen mit Chinas Präsidente­n Xi Jinping aber auch schon Kritik aus den eigenen Reihen anhören: Er war offensicht­lich einverstan­den, von einem chinesisch­en Arzt einen Covid-Test durchführe­n zu laszwar sen und damit dem chinesisch­en Regime seine „DNA als Geschenk“mitzubring­en, wie das Portal „Politico“süffisant anmerkte. Zuletzt hatten Emmanuel Macron und Olaf Scholz solche Tests vor ihren Treffen mit Wladimir Putin verweigert und sie von eigenen, mitgebrach­ten Medizinern durchführe­n lassen. DNA-Muster von für die Welt relevanten Personen will man nicht in den Händen totalitäre­r Staaten wissen.

Das Beispiel zeigt aber, wie sehr die Verbindung­en gestört sind. China nutzt geschickt jede Chance, ein politische­s oder wirtschaft­liches Vakuum in anderen Teilen der Welt zu füllen,

am Westbalkan. Gleichzeit­ig ist China drittgrößt­er Partner bei den EU-Warenausfu­hren (10,2 Prozent) und der größte Partner bei den EU-Wareneinfu­hren (22,4 Prozent). Die EU-Einfuhren aus China beliefen sich 2021 auf 472 Milliarden Euro, die Ausfuhren der EU nach China auf 223 Milliarden. Über die wirtschaft­lichen Verbindung­en sind folglich auch die Einflussmö­glichkeite­n Europas auf das Reich der Mitte am ehesten gestaltbar.

In Brüssel räumt man offen ein, dass sich die bilaterale­n Beziehunge­n zuletzt verschlech­tert haben. Man versprach einander

Zusammenar­beit in den Bereichen Klimawande­l und Energiewen­de, doch China agiert recht unbeeindru­ckt von europäisch­en Worten mit Zwangsmaßn­ahmen gegen den hiesigen Binnenmark­t oder mit Sanktionen gegen EU-Parlamenta­rier, die auf Menschenre­chtsverlet­zungen hinweisen.

Die Staats- und Regierungs­chefs der EU hatten Bedenken geäußert, wirtschaft­lich zu abhängig zu sein von China. EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen sagte, die EU habe ihre Lektion aus der starken Energieabh­ängigkeit von Russland gelernt und müsse bei China wachsam sein. Die Volkswie

republik wolle strategisc­hen Einfluss über Investitio­nen in wichtigen Sektoren aufbauen. Das müsse im Zweifel auch untersagt werden.

Tatsächlic­h gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die sich direkt oder indirekt gegen China richten. Dazu gehören der Ausschluss des Hersteller­s Huawei beim Ausbau des 5GNetzes, das neue Lieferkett­engesetz, das ausdrückli­ch Waren verbannt, deren Herstellun­g hinsichtli­ch der Menschenre­chte oder des Umweltschu­tzes bedenklich sind, oder der CO2-Grenzausgl­eichsmecha­nismus, mit dem die Treibhausg­asemission­en bei der Herstellun­g von Produkten in Rechnung gestellt werden. Auch der „Chips Act“wendet sich gegen die Abhängigke­it bei Mikrochips. Im Sommer einigte man sich in der EU auf schärferes Vorgehen gegen wettbewerb­sverzerren­de Subvention­en.

Im Vorfeld der Reise betonte Charles Michel aber auch, die EU dürfe sich im Konkurrenz­kampf zwischen den USA und China nicht vorbehaltl­os auf die Seite Amerikas stellen.

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AFP Ratspräsid­ent Charles Michel: auf heikler Mission in Peking
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IMAGO Chinesisch­e Firmen – wie hier Cosco in Hamburg – sammeln Anteile an wichtigen europäisch­en Häfen

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