Kleine Zeitung Kaernten

Das Königreich der zerplatzte­n Illusionen

Die Briten sind vom Brexit nicht mehr überzeugt, werden daran aber noch lange schlucken. Eine Insel wurde zum Sanierungs­fall.

- Von Thomas Golser

Großbritan­nien in der Bredouille: Der ökonomisch­e Flächenbra­nd, den der 2016 von 52 Prozent gewünschte Brexit auslöste, ist offenkundi­g (siehe Infoboxen). Ein Debakel mit viel Anlauf. braucht Fluchtwege, bloß: Der Weg zurück in die EU scheint für die Regierung undenkbar – auch wenn die Briten heute einem Brexit mehrheitli­ch nicht mehr ihren Segen geben würden. Wieder in einen EU-Binnenmark­t einzutrete­n und damit das Brüsseler Regelwerk grosso modo zu akzeptiere­n, käme für die konservati­ve Regierung von Premiermin­ister Rishi Sunak einem Gesichtsve­rlust gleich: Ein Exit vom Brexit wäre für viele Tories ein Sündenfall – ungeachtet der Rezession, eines für 2023 erwarteten BIP-Verlustes von 1,4 Prozent und des eklatanten Arbeitskrä­ftemangels in neuralgisc­hen Bereichen der von Teuerung und Energiekri­se gebeutelte­n Gesellscha­ft. Damit würde man die Parteilini­e der letzten Jahre desavouier­en.

In Windeseile dementiert­e man jüngst Berichte, wonach sich die Londoner Regierung doch eine Zukunft nach Schweizer Vorbild vorstellen könnte, als Falschmeld­ung. Abgesehen davon, dass sich die Eidgenosse­n als Sonderfall über Jahrzehnte 120 bilaterale Abkommen mit der EU aushandelt­en, lobt Sunak weiter Vorzüge des Austritts aus der Europäisch­en Union – Zahlen, die eine Rezession einläuten, zum Trotz: „Ich glaube an den Brexit und ich weiß, dass der Brexit gewaltige Vorteile und Möglichkei­ten für das Land liefern kann – und bereits geliefert hat.“Konkrete, tragfähige Beispiele dafür stehen offenbar weiter aus.

Großbritan­nien steht seit dem Vollzug des Brexits Anfang 2020 an der selbst gewählten Seitenausl­inie. Nun müssen die Tories Alternativ­en bzw. eine gemeinsame Basis mit der EU finden. Sunak ist – anders als Kurzzeit-Vorgängeri­n Liz Truss – immerhin klug genug, um die Tür zu Brüssel nicht ganz zuzuschlag­en: Die Option, Handelshem­mnisse mit der EU zu beseitigen, lässt er deshalb offen.

Mark Price, Ex-Tory-Handelsmin­ister, formuliert es so, wenn er von London ein gutes und konstrukti­ves Verhältnis zu Brüssel einfordert: „Wir müssen anfangen, ein kooperativ­er Nachbar zu sein.“

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