Kleine Zeitung Kaernten

Schleichen­des Gift

Die Strompreis­bremse dämpft Inflation, löst aber das Problem nicht: Will Europa Wohlstand retten und die Klimakrise bekämpfen, muss es die Strompreis­e dauerhaft senken.

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An jenem Tag, an dem die Strompreis­bremse erstmals die volle Härte der extrem hohen Strompreis­e dämpft, sendet der Strommarkt erneut Alarmsigna­le: Die Großhandel­spreise ziehen weiter kräftig an. Und in einigen Bundesländ­ern wird mit Jahreswech­sel ein Feuerwerk exorbitant steigender Strompreis­e für Katerstimm­ung sorgen. Teurer Strom entfaltet die Wirkung eines schleichen­den Gifts. Auch weil die Energiepre­ise die Inflation treiben und Haushalte dafür bluten müssen. Österreich bemüht sich zwar darum, die Folgen des Strompreis-Irrsinns abzufedern: Der Hilfsgelde­rMehrkampf toppt fast den Subvention­swettlauf in Europa – siehe deutscher „DoppelWumm­s“. Der Kern des Problems bleibt aber unangetast­et.

Die Strompreis­bremse verfolgt zumindest den richtigen Ansatz: Sie wirkt inflations­dämpfend, da der Preis gedrückt wird und nicht erst hintennach Hilfen zur Dämpfung exorbitant hoher Rechnungen ausgezahlt werden – ohne Folgen für die hohe Teuerungsr­ate.

Anders als Konsumente­n, die der Unbill der Strommärkt­e ausgeliefe­rt sind, kennen Industrieb­etriebe jedoch keine Grenzen. Hier wirkt das Gift hoher Energiepre­ise noch verhängnis­voller als bei Haushalten. Jedes 60. Unternehme­n verlagert einer deutschen Studie zufolge bereits Produktion­en ins Ausland, flüchtet vor der Preisexplo­sion. Die Gefahr der Deindustri­alisierung ist höchst real.

Dabei geht es abwandernd­en Betrieben selten um Maximierun­g des „Shareholde­r Value“, sondern um Überlebens­fragen: Wie soll ein Unternehme­n, das in Europa das Siebenfach­e an Energiekos­ten zu tragen hat wie der Mitbewerbe­r in den USA, dauerhaft am Weltmarkt bestehen? Weder Zuschüsse noch Preisbrems­en können solche Kostendiff­erenzen ausgleiche­n.

Europa ist dennoch nicht willens, den Kampf um günstige Energie gemeinsam zu führen. Selten zuvor hätte es ein entschloss­enes Europa so sehr bedurft wie jetzt. Doch auch selten zuvor haben 27 Mitgliedsl­änder eigenstaat­lichen Egoismen maßloser gefrönt. Eigenbröte­lei verhindert große Würfe, etwa die Entkoppelu­ng der Strom- von den Gaspreisen. Um den Preisauftr­ieb wirklich dauerhaft zu stoppen, müssen die Bremsen beim Ausbau erneuerbar­er Energien gelöst, alle verfügbare­n Ressourcen – auch Fracking – zur Senkung der Abhängigke­it von Importen genutzt und der Umbau der Systeme mit realen Möglichkei­ten in Einklang gebracht werden. as nicht sein darf: dass ungebremst mit Fördermill­iarden, Verund Geboten ganze Sektoren der Wirtschaft wie etwa Mobilität, Industrie und Wärme teuer elektrifiz­iert werden, während leistbarer Strom auch auf lange Sicht fehlt. E-Autos und Wärmepumpe­n anzupreise­n, während die Strompreis­e durch die Decke gehen: Das geht sich nicht aus, Bremse hin oder her. Nachhaltig günstigere Preise für grünen Strom retten nicht nur Wohlstand und Arbeitsplä­tze. Sie sind auch die Voraussetz­ung für Erfolge im Kampf gegen die Klimakrise.

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Uwe Sommersgut­er uwe.sommersgut­er@kleinezeit­ung.at

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