Deutschland beginnt an sich zu zweifeln
Vor dem entscheidenden Spiel gegen Costa Rica wird viel spekuliert. Die Deutschen sind zu favorisieren, aber sie sind auch abhängig.
Der Fußball ist auch bei dieser Weltmeisterschaft nicht nur für Sensationen gut, sondern liefert auch Kuriositäten aller Art. Eine ganz besondere ist die Möglichkeit, dass ein Team, das mit einem 0:7 ins Turnier gestartet ist, noch den Aufstieg ins Achtelfinale schaffen kann. Nicht nur das, Costa Rica kann trotz des Debakels gegen Spanien noch Gruppensieger werden, und zwar mit einem Sieg gegen Deutschland, wenn im Parallelspiel Spanien und Japan unentschieden spielen. Doch das erscheint unwahrscheinlich.
Erwartbar ist viel eher ein Sieg der Deutschen, die allerdings ihr Achtelfinalkonstrukt zusätzlich noch auf spanische Schützenhilfe bauen müssen. Für das Team von Hansi Flick ist Platz eins nicht mehr möglich, aber der zweite Platz sehr realistisch. Gewinnt Deutschland mit mindestens zwei Toren Unterschied, reicht Japan ein Remis nicht mehr. Siegt Japan gegen Spanien, müssten die Deutschen eine bessere Tordifferenz als die Spanier erreichen, das wird eher schwer zu bewerkstelligen sein. Nur ein Sieg mit acht Toren Unterschied bedingt keinen Blick auf die zweite Partie. Darüber zu reden, wäre vermessen. „Es wäre respektlos gegenüber Costa Rica“, sagte Flick.
Respekt ist eine der zentralen Tugenden, die Deutschland heute für einen vollen Erfolg benötigt. Denn daran hat es die 2018 nach einer Niederlage gegen Südkorea in der Vorrunde gescheiterte Vorgänger-Auswahl bei der
WM in Russland missen lassen, das ist den Nachfolgern wohl auch bewusst. An der Favoritenrolle gibt es keine
Zweifel, doch solche Rollenspiele wurden beim Turnier in Katar schon wiederholt nicht eins zu eins aufgeführt. Einige wie Joshua Kimmich, Niklas Süle und natürlich Manuel Neuer könnten den Kollegen erzählen, was damals falsch gelaufen war, sie waren an der Schmach unmittelbar beteiligt. An der spielerischen Klasse konnte es nicht gelegen sein, das werden sie sich auch diesmal denken, so wie alle Deutschen.
Bemerkenswert ist, dass im Land des viermaligen Weltmeisters über viele Themen diskutiert wird, die einst vor einem Match gegen einen derart krassen Außenseiter niemals zu einer Debatte
geführt hätten. Zum einen ist es die Frage nach der Aufstellung. Findet Flick die richtige Elf ? Die breitflächig geführten Spekulationen lassen den Schluss zu, dass Deutschland an sich selbst zu zweifeln begonnen hat. Es ist auch die zusätzliche Abhängigkeit von außen (abgesehen vom besagten 8:0), die als Störfaktor betrachtet wird. Und dann werden Fragen gestellt, wie jene, ob er, Hansi Flick, auch bei einem vorzeitigen Abschied von Katar Bundestrainer bleiben würde. Flick bejaht, „von meiner Seite aus“. Flick sagt auch, dass er keinen Druck verspürt. Dennoch ist dieser gewaltig, denn das Scheitern wird durchaus als Option wahrgenommen.
Costa Rica hat schon einmal großes Aufsehen erregt, es war bei der WM 2014, als das Team nach Siegen gegen Italien und Uruguay und einem Remis gegen England sogar Gruppensieger wurde und erst im Viertelfinale gegen die Niederlande im Elferschießen ausschied. Torhüter Keylor Navas war dabei, er kann also auch viel erzählen. Das bisher einzige Duell mit Deutschland hat er um zwei Jahre verpasst. Bei der WM 2006 gewannen die Gastgeber ihr damaliges Auftaktmatch 4:2.