Jeder gegen jeden in Belgien
Belgien kämpft gegen Kroatien um das Achtelfinale. Doch mit dem Gegner beschäftigt sich in Belgien niemand, im Team kämpft derzeit jeder gegen jeden.
Es war ein Satz nach dem ersten Match der Belgier bei dieser WM, der alles verändert hat. „Keine Chance, wir sind zu alt“, antwortete Manchester-City-Star Kevin de Bruyne (31) auf die Frage des Reporters, ob das Team Weltmeister werden kann. Schon gegen die Kanadier gab es ein schmeichelhaftes 1:0. Spätestens nach dem 0:2 gegen Marokko reichte es den Belgiern und jeder lässt seither seinen Frust ab. Vor dem direkten Duell gegen Kroatien heute (16 Uhr) – nur der Sieger kommt weiter – interessiert sich kaum jemand in Belgien für den Gegner, vielmehr zerfleischt sich die „goldene Generation“, die 2015 die Nummer eins der Weltrangliste war und 2018 WM-Bronze geholt hatte – gegenseitig.
Ein paar Beispiele: Kapitän Eden Hazard (31) sagte, dass „Belgien nicht die drei schnellsten Innenverteidiger der Welt hat, aber das wissen sie.“Verteidiger Jan Vertonghen (35) dazu: „Ich nehme an, dass wir schlecht im Sturm spielen, weil wir vorne auch alt sind.“Und weiter: „Es gibt viele Dinge, die mir durch den Kopf gehen, die ich besser nicht sagen sollte, zumindest nicht außerhalb der Kabine.“Wenig später ließ er dann kein gutes Haar an Welttorhüter Thibaut Courtois. „Sie haben zwei identische Tore erzielt, zweimal erster Pfosten. Der Ball darf niemals reingehen.“
Nach dem Spiel gegen Marokko gingen die Spieler angeblich in der Kabine aufeinander los. Offenbar musste Lukaku, der heute erstmals wieder von Beginn an spielen könnte, Vertonghen, De Bruyne und Hazard trennen. Vor allem der einstige Superstar De Bruyne ist komplett isoliert. Mit Courtois spricht er aus privaten Gründen seit Jahren nicht mehr, das gleich gilt für Hazard und Leandro Trossard.
Auf kroatischer Seite wollte Teamchef Zlatko Dalic den angeblichen Unstimmigkeiten bei den Belgiern keine große Bedeutung beimessen. „Ich gebe nicht viel auf Mediengeschichten und Gerüchte. Sie haben De Bruyne, sie haben Hazard. Ich gehe von einem großen Kampf aus. Sie haben Qualität und werden nicht über Nacht vergessen haben, wie Fußball spielen geht.“
Im Parallelspiel können nur die noch sieglosen (aber zuweilen begeisternden) Kanadier den Aufstieg Marokkos ins Achtelfinale verhindern. Es wäre erst das zweite Mal nach 1986, dass die „Atlas-Löwen“in die K.o.Phase kommen würden und ein Remis würde schon reichen. „Wir sind hier, um Geschichte zu schreiben“, sagte Teamchef Walid Regragui.