Im Iran wurden die USA gefeiert
Erfolg des US-Teams und WM-Aus des Iran wurde von der Protestbewegung als Sieg gefeiert.
Feuerwerke erleuchten den Nachthimmel, Menschen klatschen, singen und tanzen auf den Straßen, Autofahrer hupen und recken die Finger zum Siegeszeichen hoch: Tausende Iraner haben die 0:1-Niederlage ihres Nationalteams gegen die USA in Katar gefeiert. Für sie ist das WM-Aus des Iran eine Niederlage der Islamischen Republik und ein Schub für die Protestbewegung. Einige Iraner schwenkten sogar amerikanische Fahnen, die sonst bei Kundgebungen des Regimes als Zeichen der Feindschaft mit dem „Großen Satan“USA verbrannt werden.
In der Stadt Sakes im iranischen Kurdengebiet begannen die Fei- ern bereits nach dem US-Führungstreffer.
Sakes ist die Heimatstadt von Mahsa Amini, jener 22-jährigen Frau, deren Tod in den Händen der Religionspolizei im September die Protestwelle gegen das Regime ausgelöst hatte. Auch in der Hauptstadt Teheran und anderen iranischen Städten gingen die Menschen zum Feiern auf die Straße, wie Videos von Dissidenten zeigten. Nach Oppositionsangaben setzte die Polizei mancherorts Schlagstöcke und scharfe Munition gegen die Teilnehmer einiger Kundgebungen ein. Und nicht alle Iraner freuten sich über den Misserfolg. In Teheran reagierten einige Zuschauer nach Medienberichten enttäuscht. Regierungspolitiker, die den 2:0-Sieg gegen Wales noch überschwänglich gefeiert und gratuliert hatten, äußerten sich am Mittwoch aber nicht zum WM-Aus.
Die iranischen Spieler waren zuletzt zwischen die Fronten geraten. Regimegegner warfen dem Team vor, sich zum Werkzeug der Regierungspropaganda machen zu lassen und nicht deutlich genug gegen das Leid der Menschen im Iran Stellung zu beziehen. Das Regime wiederum
hoffte gegen die USA auf sportliche Erfolge. Gleichzeitig bemühte sich die iranische Regierung in Zusammenarbeit mit den Behörden in Katar, oppositionelle Kundgebungen bei den WM-Spielen zu verhindern. Iranischen Fans wurden TShirts mit Slogans oder Utensilien mit Hinweisen auf Mahsa Amini von den Rängen geholt oder gar nicht erst nicht in die Stadien gelassen. Nun aber wird der Erfolg der US-Fußballer zu einem Triumph der Protestbewegung.
Vorbei seien die Zeiten, als die Iraner stolz auf ihre Mannschaft gewesen seien, schrieb die Aktivistin Atena Daemi auf Twitter.
Früher hätten die Leute ihre Mannschaft mit dem Lied „Heute ist ein glücklicher Abend“besungen – nach der Niederlage gegen die USA werde das Lied jetzt von den „Revolutionären“im Iran angestimmt. Viele Iraner lehnten die Nationalelf ab, weil sie dem Regime zugeordnet werde, sagt der türkische Iran-Experte Arif Keskin, dasselbe gelte für die iranische Staatsflagge und die Nationalhymne.
Dass die USA in der Nacht auf iranischen Straßen gefeiert wurden, war für Keskin keine Überraschung. Seit der islamischen Revolution von 1979, als US-Diplomaten in Teheran als Geiseln genommen wurden, Demonstranten in Teheran „Tod den USA“riefen und der Iran und die USA ihre diplomatischen Beziehungen abbrachen, habe es einen Generationswechsel gegeben. „Die iranische Gesellschaft ist nicht mehr dieselbe wie die von 1979“, sagte Keskin. Die Iraner von heute hegten keine Feindschaft gegen Amerika, den Westen oder Israel.
Dagegen beschwören Revolutionsführer Khamenei und andere Spitzenpolitiker diese Feindschaft bei jeder Gelegenheit. Beim Spiel gegen die USA habe das Regime auf einen Propaganda-Erfolg gehofft, sagte Karim Sadjadpur von der USDenkfabrik Carnegie Endowment dem Sender MSNBC. Deshalb sei es jetzt „richtig peinlich für das Regime, dass Tausende Iraner den Sieg Amerikas feiern“.