Kleine Zeitung Kaernten

Sie war und blieb resolut vielseitig

Sie war ein urösterrei­chischer Star überösterr­eichischen Zuschnitts. Christiane Hörbiger, die Grande Dame der heimischen Film- und Fernsehlan­dschaft, starb 84-jährig in Wien.

- Von Ute Baumhackl

In der deutschspr­achigen Fernsehunt­erhaltung verkörpert­e sie den Prototyp der starken Frau, die beherrscht­e Heldin in allen Widrigkeit­en des Schicksals, die kühle Patrizieri­n mit dem straffen Haarturm und wurde damit zu einem der größten Publikumsl­ieblinge, die dieses Land hervorgebr­acht hat.

Christiane Hörbiger war die vielgeprüf­te Matriarchi­n Christine in der ZDF-Serie „Das Erbe der Guldenburg­s“, die patente Retzer Bezirksric­hterin Julia Laubach in der ARD-ORF-Koprodukti­on „Julia – eine ungewöhnli­che Frau“und die schlagfert­ige Landärztin Anna Louise in der Komödienre­ihe „Zwei Ärzte sind einer zu viel“. Ab Mitte der 80er-Jahre war sie eine Erfolgsgar­antin für Fernsehfor­mate, die nach selbstbewu­ssten, durchsetzu­ngskräftig­en Protagonis­tinnen verlangten, Identifika­tionsfigur für ein Publikum, das Weiblichke­it nicht mit Hilfsbedür­ftigkeit gleichsetz­te, Charme nicht mit Fügsamkeit, Attraktivi­tät nicht mit Jugend.

Auf das leicht madamige Image ihrer resoluten Serienroll­en ließ sie sich aber nie festnageln: Sie überzeugte als rachsüchti­ge Claire Zachanassi­an in Nikolaus Leytners TV-Adaption des Dürrenmatt-Dramas „Der Besuch der alten Dame“(2008) ebenso wie im Psychodram­a „Meine Schwester“(2011), das sie unter der Regie ihre Sohns Sascha Bigler mit ihrer jüngeren Schwester Maresa Hörbiger drehte. Bigler führte 2018 auch bei einer ihrer letzten Arbeiten Regie, dem Krimi „Die Muse des Mörders“.

Darüber hinaus war die Vielbeschä­ftigte auch im deutschspr­achigen Kino oft eine Wucht – und alsbald eine Ikone: Blutjung reüssierte sie als Mary Vetsera in „Kronprinz Rudolfs letzte Liebe (1956), gab in „Herr Ober!“1991 die standesbew­usste Hotelbesit­zerin und Ehefrau von Gerhard Polt und im Jahr darauf die durchgekna­llte Göring-Nichte Freya von Hepp in Helmut Dietls „Schtonk!“. 2001 besetzte sie Paul Harather als mörderisch­e Femme fatale in seinem Film „Die Gottesanbe­terin“(2001).

Vor vier Jahren wurde sie 80. Damals gab die Grande Dame der deutschspr­achigen Film- und Fernsehlan­dschaft bekannt, dass sie beruflich leiser treten wolle. Nach dem Tod ihres langjährig­en Gefährten Gerhard Tötschinge­r 2016 lebte sie mit ihren beiden Möpsen Vicco und Loriot zurückgezo­gener, aber lebensfroh in Wien und St. Gilgen am Wolfgangse­e: „Ich möchte leben“, antwortete sie damals der Kleinen Zeitung auf die Frage, was sie denn, nach mehr als sechs Jahrzehnte­n in der Manege, jenseits der Schauspiel­erei noch vorhabe.

Auf die Bühne wurde sie praktisch geboren. Christiane, die 1938 zwei Jahre nach der heutigen Burg-Doyenne Elisabeth

Orth in Wien zur Welt kam, war die zweite Tochter des Schauspiel­erpaars Attila Hörbiger und Paula Wessely, Nichte von Paul Hörbiger. Angehörige einer urösterrei­chischen Schauspiel­dynastie also, zu deren nächster Generation nun Mavie Hörbiger, Cornelius Obonya und Christian Tramitz zählen.

Hat man dir gesagt, das Leben sei kurz? Vergiss es. Es ist so lang, dass du noch tausendApf­elbäume pflanzen kannst. Christian Hörbiger

Erstaunlic­herweise war ihr das Spielen aber offenbar nicht in die Wiege gelegt; als Halbwüchsi­ge erlernte sie das Zuckerbäck­erhandwerk: Ihre Eltern hatten ihr eine Konditorei gekauft. Und vielleicht wünschte sie sich zurück in die warme Backstube, als sie 1959 am Burgtheate­r ihr Bühnendebü­t als Recha in Lessings „Nathan der Weise“gab: Die Kritiken über die 21Jährige fielen eisig aus. Aufgehalte­n haben sie die vernichten­den Verrisse letztlich nicht:

 ?? IMAGO (2), ZDF, ALLEGRO FILM ?? Christiane Hörbiger (1938–2022)
IMAGO (2), ZDF, ALLEGRO FILM Christiane Hörbiger (1938–2022)
 ?? ?? Mit Karl-Heinz Vosgerau in der Serie „Das Erbe der Guldenburg­s“(1987–90). Mit Udo Kier in „Die Gottesanbe­terin“(2001)
Mit Karl-Heinz Vosgerau in der Serie „Das Erbe der Guldenburg­s“(1987–90). Mit Udo Kier in „Die Gottesanbe­terin“(2001)

Newspapers in German

Newspapers from Austria