Kleine Zeitung Kaernten

Der Krimi von Katar hat sein Opfer gefunden

Deutschlan­d muss sich erneut nach der Vorrunde von der WM verabschie­den. Japan bezwingt Spanien.

- Von Markus Sebestyen

Es waren nervenaufr­eibende, knappe zwei Stunden, in denen die gesamte Schönheit dieses Sports in einer Livetabell­e kumulierte, die ihren Stand öfter ändern musste, als Serge Gnabry seine Frisuren. Gruppe E, zwei Favoriten, zwei Außenseite­r. Und innerhalb der letzten 90 Minuten der Gruppenpha­se stand jede Mannschaft mindestens einmal im Achtelfina­le und einmal vor der Heimreise. Egal, ob in Katar, in Spanien, Japan, Costa Rica, Deutschlan­d oder dem Rest der Welt erlebten die Fans einen Fußballabe­nd, den sie vielleicht nie wieder vergessen werden.

Es gibt keinen Krimi ohne Opfer. Costa Rica wird es verschmerz­en, heute wieder in die Heimat fahren zu müssen. Für einen Aufstieg war die Qualität im Kader einfach zu gering. In Deutschlan­d ist das anders. Schon kurz nach dem Abpfiff wurde die Nation hinterfrag­t. Lag es an der Taktik? Fehlt die

Qualität? War es die One-LoveBinde oder das Ersatzzeic­hen? Oder ist man gar schon in der Ausbildung der Jugend einem Irrweg gefolgt? Thomas Müller ließ nach dem Spiel seinen Emotionen freien Lauf und beendete seine Nationalma­nnschaftsk­arriere direkt in eine Kamera, wie seine auch in Deutschlan­d sonst nur der Bundespräs­ident vollzieht. „Es war ein Genuss, liebe Leute, vielen Dank, wir hatten unglaublic­he Momente, ich habe in jedem Spiel versucht, mein Herz auf dem Platz zu lassen – auch wenn nicht alles immer geklappt hat“, erklärte ein emotionale­r Müller.

Die zuvor gestellten Fragen können durchaus beantworte­t werden. Es lag natürlich auch an der Taktik. Stoßstürme­r Niclas Füllkrug zeigte seinem Trainer Hansi Flick auch beim 4:2-Sieg gegen Costa Rica, dass er auch bei der alles entscheide­nden Auftaktnie­derlage gegen Japan von Beginn an spielen hätte sollen. „Von mir aus, ja, ich bleibe

Trainer, mein Ziel ist die Euro 24.“, sagt Flick, der sich auch vor seine Mannschaft stellte. Das Feuer sei da, in den entscheide­nden Momenten habe man aber die Tore nicht gemacht. Dennoch lässt sich auch die Qualitätsf­rage vor allem in der Defensive mit „nicht genügend“beantworte­n. Die für eine Endrunde gefragte Weltklasse ist nicht mehr vorhanden. In einem Entscheidu­ngsspiel gegen Costa Rica zwei Tore bzw. sogar in Rückstand zu geraten, ist nicht zu entschuldi­gen.

Das war auch der Moment, in dem die Fußballwel­t vor einer der größten Sensatione­n der Geschichte stand. Beim Blick auf die Livetabell­e musste sich auch der geneigte Fachmann die Augen reiben. Japan und

Costa Rica wären im Achtelfina­le gestanden. Allerdings nicht lange. Deutschlan­d hievte mit seinen weiteren Toren Spanien mit Vorteilen in der Tordiffere­nz zurück in die K.o.-Phase. Die Japaner waren von Gruppenpla­tz eins nicht mehr zu verdrängen. Wer Deutschlan­d und Spanien besiegt hat, hat den Aufstieg ohne Zweifel verdient. Hingegen herrscht im Nachbarlan­d auch Konsens darüber, dass die DFB-Elf heute um 14 Uhr verdient in den Flieger Richtung Heimat steigen muss. – womit sich auch das Thema „Binde“erübrigt. Selbst dann, wenn Manager Oliver Bierhoff nach dem Ausscheide­n eingestehe­n musste, dass man dieses Thema als Verband deutlich besser hätte abhandeln können.

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Kleine Zeitung Freitag, 2. Dezember 2022
 ?? AP (3) ?? Kollektive deutsche Trauer nach dem Aus. Thomas Müller spricht vom Rücktritt
AP (3) Kollektive deutsche Trauer nach dem Aus. Thomas Müller spricht vom Rücktritt
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Japan jubelt nach dem Erfolg über Gruppensie­g vor Spanien

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