Zäune und Mauern sind längst Realität
An „sicheren Außengrenzen“versucht sich die EU seit Jahren – mit mäßigem Erfolg.
Zwischenfälle an den Außengrenzen der EU sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Dazu gehören die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla im Norden Marokkos, wo es immer wieder zu gewalttätigen Begegnungen kommt. Zuletzt hatten im Juni mehrere Hundert Migranten, vor allem aus dem Sudan, versucht, den Grenzzaun zu überwinden, um in die EU zu gelangen. Marokkanische Sicherheitskräfte gingen brutal gegen die jungen Männer vor – man zählte 23 Todesopfer.
Ein anderes Beispiel ist die griechisch-türkische Grenze am Evros, ein Beispiel, das Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) oft benutzt. „Gewaltbereite Migranten“hätten dort versucht, den Grenzzaun einzureißen, es kam zu Tränengaseinsatz, auch eine Einheit der österreichischen Cobra war beteiligt. Laut griechischen Angaben wurden dort allein heuer im August 36.000 Menschen an Grenzübertritten gehindert, 5000 schafften es über den Fluss.
Tatsächlich gibt es entlang der EU-Landgrenzen bereits über viele Hundert Kilometer befestigte Anlagen, etwa im Grenzgebiet zwischen Serbien und Ungarn oder in Polen und den baltischen Staaten, wo die Grenzen zu Belarus dichtgemacht wurden. Sowohl Belarus als auch die Türkei nutzten die Migrationsströme in der Vergangenheit für „hybride“Drohgebärden gegenüber der EU. Im Zuge der jüngsten Debatte um das Schengen-Veto zeigte sich, dass trotz des ungarischen Zauns alle registrierten Asylsuchenden über Ungarn gekommen waren. Doch obgleich viele neue Zäune errichtet wurden oder sich in Bau befinden, haben die illegalen Grenzübertritte in die EU 2022 klar zugenommen. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex meldete in den ersten elf Monaten dieses Jahres rund 308.000 Versuche, ohne Erlaubnis in die EU zu kommen. Das sei ein Zuwachs um 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, und der höchste Wert seit 2016.
Laut Frontex gelangten bis November 2022 rund 140.000 Migranten illegal über den Balkan und Länder des ehemaligen Jugoslawien nach Mitteleuropa. Das waren zweieinhalb so viele wie noch 2021 und der höchste Wert seit der Flüchtlingskrise 2015. Die Westbalkanroute ist die aktivste Route in die EU. Die meisten Bootsmigranten kamen in Süditalien an. Das Innenministerium in Rom zählte bis Mitte Dezember 2022 mehr als 98.000 Menschen, die über die zentrale Mittelmeerroute Italien erreichten. Rund 30.000 Menschen kamen heuer über das westliche Mittelmeer, also Spanien.
Paul Schmidt von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik hielt fest, dass allein die Außengrenze des aktuellen Schengenraums 50.000 Kilometer lang ist, davon 80 Prozent im Wasser und 20 Prozent am Land. Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger weist darauf hin, dass seit Jahren immer mehr Zäune errichtet werden – der Rückgang von Asylsuchenden sei im Winter jedoch eher saisonal bedingt.