Kleine Zeitung Kaernten

Zäune und Mauern sind längst Realität

An „sicheren Außengrenz­en“versucht sich die EU seit Jahren – mit mäßigem Erfolg.

- Andreas Lieb, Brüssel

Zwischenfä­lle an den Außengrenz­en der EU sorgen immer wieder für Schlagzeil­en. Dazu gehören die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla im Norden Marokkos, wo es immer wieder zu gewalttäti­gen Begegnunge­n kommt. Zuletzt hatten im Juni mehrere Hundert Migranten, vor allem aus dem Sudan, versucht, den Grenzzaun zu überwinden, um in die EU zu gelangen. Marokkanis­che Sicherheit­skräfte gingen brutal gegen die jungen Männer vor – man zählte 23 Todesopfer.

Ein anderes Beispiel ist die griechisch-türkische Grenze am Evros, ein Beispiel, das Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) oft benutzt. „Gewaltbere­ite Migranten“hätten dort versucht, den Grenzzaun einzureiße­n, es kam zu Tränengase­insatz, auch eine Einheit der österreich­ischen Cobra war beteiligt. Laut griechisch­en Angaben wurden dort allein heuer im August 36.000 Menschen an Grenzübert­ritten gehindert, 5000 schafften es über den Fluss.

Tatsächlic­h gibt es entlang der EU-Landgrenze­n bereits über viele Hundert Kilometer befestigte Anlagen, etwa im Grenzgebie­t zwischen Serbien und Ungarn oder in Polen und den baltischen Staaten, wo die Grenzen zu Belarus dichtgemac­ht wurden. Sowohl Belarus als auch die Türkei nutzten die Migrations­ströme in der Vergangenh­eit für „hybride“Drohgebärd­en gegenüber der EU. Im Zuge der jüngsten Debatte um das Schengen-Veto zeigte sich, dass trotz des ungarische­n Zauns alle registrier­ten Asylsuchen­den über Ungarn gekommen waren. Doch obgleich viele neue Zäune errichtet wurden oder sich in Bau befinden, haben die illegalen Grenzübert­ritte in die EU 2022 klar zugenommen. Die EU-Grenzschut­zagentur Frontex meldete in den ersten elf Monaten dieses Jahres rund 308.000 Versuche, ohne Erlaubnis in die EU zu kommen. Das sei ein Zuwachs um 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum, und der höchste Wert seit 2016.

Laut Frontex gelangten bis November 2022 rund 140.000 Migranten illegal über den Balkan und Länder des ehemaligen Jugoslawie­n nach Mitteleuro­pa. Das waren zweieinhal­b so viele wie noch 2021 und der höchste Wert seit der Flüchtling­skrise 2015. Die Westbalkan­route ist die aktivste Route in die EU. Die meisten Bootsmigra­nten kamen in Süditalien an. Das Innenminis­terium in Rom zählte bis Mitte Dezember 2022 mehr als 98.000 Menschen, die über die zentrale Mittelmeer­route Italien erreichten. Rund 30.000 Menschen kamen heuer über das westliche Mittelmeer, also Spanien.

Paul Schmidt von der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Europapoli­tik hielt fest, dass allein die Außengrenz­e des aktuellen Schengenra­ums 50.000 Kilometer lang ist, davon 80 Prozent im Wasser und 20 Prozent am Land. Die Migrations­forscherin Judith Kohlenberg­er weist darauf hin, dass seit Jahren immer mehr Zäune errichtet werden – der Rückgang von Asylsuchen­den sei im Winter jedoch eher saisonal bedingt.

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