Kleine Zeitung Kaernten

Säbelrasse­ln statt Dialog im Kosovo

Der Barrikaden­streit im überwiegen­d serbisch besiedelte­n Nordkosovo hält an: Belgrad und Prishtina graben sich weiter tief in ihren Positionen ein.

- Von unserem Korrespond­enten Thomas Roser aus Zagreb

Statt Versöhnung­sbotschaft­en tauschen die Würdenträg­er der einstigen Kriegsgegn­er vor dem Jahreswech­sel nur düstere Drohgebärd­en aus. „Wir drohen nicht mit leeren Flinten“, verkündete Serbiens Verteidigu­ngsministe­r Miloˇs Vucˇevic´ nach einem Truppenbes­uch an der Grenze zu Kosovo. Belgrad werde nicht von der „roten Linie“des Schutzes der serbischen Landsleute im Kosovo abrücken: „Die Armee ist bereit, Serbien und seine Bürger zu schützen.“Prishtina habe es sich zum Ziel gesetzt, „die Serben für alle Zeiten aus Kosovo zu vertreiben“, poltert Serbiens allgewalti­ger Staatschef Aleksandar Vucˇic´.

Während Serbien seine Streitkräf­te erneut in „höchste Kampfberei­tschaft“versetzt hat, zeigt sich Kosovos Premier Albin Kurti unbeeindru­ckt. Falls die internatio­nale KFORSchutz­truppe nicht imstande sei, die Straßenbar­rikaden im Nordkosovo zu räumen, werde dies eben die Kosovo-Polizei tun: „Und dies kann nicht Monate oder Wochen dauern.“

Schon seit Jahren versucht die EU, Serbien und den seit 2008 unabhängig­en, aber von Bel

nicht anerkannte­n Kosovo zu einer Normalisie­rung ihrer labilen Nachbarsch­aftsehe zu bewegen: Ein im Sommer von Berlin und Paris vorgelegte­r Kompromiss­vorschlag sieht zumindest faktische gegenseiti­ge Anerkennun­g vor.

Doch ob beim Streit um Ausweispap­iere oder Kfz-Kennzeiche­n: Seit Monaten liegen die Balkan-Streithähn­e im verschärft­en Dauerclinc­h. Fast drei Wochen wogt nun der eskalieren­de Barrikaden­streit im überwiegen­d serbisch besiedelte­n Nordkosovo. Offiziell wollen die dort von Belgrad in Marsch gesetzten Kosovo-Serben mit Straßenblo­ckaden den Abzug der Kosovo-Polizei, die Freilassun­g von drei festgenomm­enen Landsleute­n und die bereits 2013 zugesagte, aber unverwirkl­ichte Schaffung eines Verbands der serbischen Kommunen erzwingen. Tatsächlic­h geht es auch um die Macht im Nordwestzi­pfel des Kosovo, wo rund 35.000 bis 50.000 der 100.000 bis 120.000 Kosovo-Serben leben. Auch nach Ende des KosovoKrie­gs 1999 hatte Serbien die Geschicke im Nordkosovo noch lange diktiert. Seit Kosovos Unabhängig­keit 2008 gibt es Spekulatio­nen über eine mögliche Abtrennung des Nordkosovo­s, um die Belgrader Ansprüche auf die Ex-Provinz zu befrieden: Die EU lehnt das strikt ab.

Warum aber köchelt der Streit um Kosovo fast 15 Jahren nach der Unabhängig­keit? Eine These ist, das beide Seiten ihre Position in Nordkosovo erst verbessern wollten, bevor sie sich an das Tauziehen um das von der EU geforderte Nachbarsch­aftsabkomm­en machen. Eine andere ist, dass Vucˇic´ der deutsch-französisc­he Vorschlag keineswegs zusage oder er nur von innenpolit­ischen Problemen ablenken wolle.

Beide Seiten graben sich im Barrikaden­kampf immer tiefer in ihren Positionen ein. Vucˇic´ beschimpft Kurti als „terroristi­grad

schen Abschaum“– und Kurti sieht auf den Barrikaden Pseudo-Tschetniks oder GruppeWagn­er-Nachahmer am Werk.

Droht dem Westbalkan ein neuer Waffengang? Düstere Kriegsszen­arien werden vor allem von Serbiens Würdenträg­ern und nahestehen­den Medien gemalt. Das Land stehe „am Rand eines bewaffnete­n Konflikts“, so Serbiens Regierungs­chefin Ana Brnabic´, „Serben im Visier der Scharfschü­tzen!“, warnt die Zeitung „Vesti“.

Beide Seiten rasseln so kräftig wie lange nicht mehr mit den Säbeln. Einen weiteren Waffengang in Europa dürfte der Westen indes kaum zulassen. Ohnehin wäre Serbiens Armee trotz der Aufrüstung mit russischen Altwaffen den KFOR-Truppen hoffnungsl­os unterlegen. Prishtina und Belgrad scheinen ohne Druck von außen zu einer Verständig­ung kaum noch in der Lage. Gestern schloss der Kosovo Merdare, den größten Grenzüberg­ang zum Nachbarn.

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AFP Blockierte Straßen und verhärtete Positionen im Kosovo
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