Italien hat zu viel Schwein
Italiens Rechtsregierung erlaubt neuerdings die Jagd auf Wildschweine auch in Städten. 2,3 Millionen Tiere sorgen für massive Probleme.
Ab Neujahr ist es in Italien erlaubt, auch in Städten auf Wildschweine zu schießen. Das sieht das neue Budgetgesetz vor, das ab 2023 in Kraft treten soll. Städtische Safaris sind in Stadtparks und auf Einkaufsstraßen, am Flussufer und in Wohnvierteln erlaubt.
Natürlich sind der Besitz eines Waffenscheins und eine Sondererlaubnis der
Region nötig. Auch muss der Jäger einen Spezialkurs absolvieren, damit er Wildschweine von anderen Tierarten unterscheiden kann. Gejagt werden darf das ganze Jahr über und in sämtlichen Städten. „La Stampa“befürchtet jedoch, dass der Freischein zum Jagen nicht nur das Leben der Wildschweine, sondern auch jenes von Bürgern gefährde. Die Tiere können künftig nicht nur abgeschossen, sondern auch zum Verzehr freigegeben werden. Allerdings müssen die getöteten Tiere vorher untersucht werden. Wildschweinbraten ist in Italien überaus beliebt.
Schätzungen zufolge gibt es in Italien 2,3 Millionen Wildschweine. Die Anzahl der Paarhufer hat sich in den letzten Jahren vervierfacht. Inzwischen wurden nicht nur Wälder, Felder und Weinberge, sondern auch Städte zum beliebten Habitat. Vor allem wühlen die Tiere in Abfallbergen und Müllcontainern und suchen nach Futter. Falls sie gestört werden, können sie aggressiv werden.
Zu Unfällen kam es jüngst in Mailand an den Navigli oder etwa in Rom am Tiber-Ufer. Sicherheitsprobleme durch die bislang geschützten Wildtiere sind evident. Angeblich soll es im Vorjahr 13 Tote und 261 Schwerverletzte gegeben haben. Tausende Verkehrsunfälle jedes Jahr gehen auf deren Konto, etliche mit tödlichem Ausgang. Dazu kommen Schäden in der Landwirtschaft: Gerne werden Weinberge, Gemüse- und Kartoffeläcker, aber auch Getreidefelder von den 70- bis 80Kilo-Sauen und ihrem haarigen Nachwuchs zum Schmausen aufgesucht. Toskanische Winzer und Bauern haben 2021 Ausfälle von zwölf Millionen Euro gemeldet – tatsächlich sind es weit mehr: Man spricht von Ausfällen der Agrarbranche von über 100 Millionen Euro. Der Bauernverband Coldiretti erwartet, dass durch den „Krieg der Wildschweine“deren Zahl mindestens halbiert werden soll. „Der wirtschaftliche Schaden für die landwirtschaftliche Produktion ist inzwischen untragbar geworden“, so Coldiretti-Präsident Ettore Prandini.
Doch die Umweltschutzverbände und Tierschützer protestieren gegen die im Haushaltsgesetz 2023 verankerte Maßnahme. Sie argumentieren, dass durch Medikamente die Vermehrung der Wildschweine limitiert werden könne, Zäune sollen errichtet oder die traditionellen Pfade der Wildschweine umgebaut werden. Doch ihre Vorschläge stoßen auf taube Ohren. Erstens benötigen entsprechende Maßnahmen viel Geld, das die Kommunen nicht haben. Zweitens ist die Rechtsregierung von der Jagd auf die Wildschweine überzeugt, während die links orientierte Opposition eher zu Schutzmaßnahmen aufruft. Danilo Selvaggi, Präsident des Vogelschutzverbandes Lipu, meint, dass die nahende Hatz auf die Tiere vor allem ein Geschenk an die überaus mächtige Jäger-Lobby sei.