Hier wimmelt es vor Liebe
Saukomisch, tieftraurig, unsentimental: Corinna Harfouch, Karl Markovics und Luna Wedler feiern in der Bestsellerverfilmung das Leben – mitsamt Tod.
Das Figurenkabinett in dieser Bestsellerverfilmung ist wie ein Wimmelbild an verschrobenen, aus einer Theaterinszenierung geflohenen Charakteren: Da wäre einmal der namenlose Optiker (Karl Markovics), der heimlich in Selma (Corinna Harfouch) verknallt ist, ihr Hunderte Liebesbriefe schreibt – besser gesagt Anfänge davon –, die er sich aber nie abzuschicken traut. Selma wiederum hat einst Luise aufgenommen. Das Mädchen ist traumatisiert, nachdem ihr bester Freund, der daheim verprügelte Martin, durch eine aufgehende Tür rückwärts aus dem Zug kippt und stirbt. Davor hatte Selma von einem Okapi geträumt – tut sie das, stirbt jemand im Dorf im Westerwald.
All das wird aus dem Blickwinkel der jungen Luise (Luna Wedler als Amélie-hafte Erzählerin) pointiert und humorvoll berichtet – inklusive hinreißender Figureneinführung wie jene von der lebensverneinenden „traurigen Marlies“(Rosalie Thomass).
Mariana Leky gelang 2017 mit „Was man von hier aus sehen kann“ein veritabler Bestseller. Aron Lehmann hat diesen mit viel Fingerspitzengefühl verfilmt: als herzenswarme, saukomische und bittersüße Parade der Schrulligkeiten, in denen die Figuren auf der Weltbühne des Lebens nie verraten werden. Es wird auf vielfache Weise gestorben: durch Unfälle, verübte und geplante Suizide, Krankheit. Aber dabei steht stets von der ersten Szene an das Leben im Mittelpunkt – und zwar in all seiner Tragik, Leidenschaft, Sturheit, Schönheit, Verschrobenheit, in all seinem Leid, Lernen und seiner Traurigkeit.
Es ist ein beglückender Film. Einer, der nicht auf die Kitschbremse steigt, der die Schrulligkeiten aber dimmt, wenn es den Figuren oder der Handlung schadet. Es ist eine unsentimentale Interpretation von Zusammenhalt, Lebensentwürfen und Familienbanden über die Verwandtschaftsverhältnisse hinaus. „Was man von hier aus sehen kann“ist ein Leinwanderlebnis, das die gesamte emotionale Breite abdeckt, das Sterben genauso zelebriert wie das Leben, das Verlieben und SichVerleugnen. In analoger Ausstattung wird die Gegenwart gefeiert und vor Verschieberitis gewarnt.
Corinna Harfouch und Karl Markovics spielen als vereintes Nicht-Paar, dem die Zeit davon rinnt, groß auf. Rosalie Thomass’ Verweigerungshaltung ist schwarzhumoriges Kino vom Feinsten und Luna Wedler meistert die Rolle der Führerin durch die Dorfgemeinschaft auf mehreren Zeitebenen bravourös. Die Regieeinfälle sind bis in kleinste Szenen und Rollen originell. PS: Es darf gelacht werden. Oft und laut.