Kleine Zeitung Kaernten

„Kein Soldat betritt ukrainisch­en Boden“

Trotz Kritik des Bundespräs­identen kommt Entminungs­hilfe des Heers für die Ukraine nicht infrage.

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So deutliche Worte findet Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) selten: „Es wird kein österreich­ischer Soldat für so einen operativen Einsatz ukrainisch­en Boden betreten, solange das ein Kriegsgebi­et ist“, sagt Nehammer einer Aussendung des Bundeskanz­leramts zufolge zu dem Vorschlag, Bundesheer-Experten zur Entminung ehemals russisch besetzter Gebiete in der Ukraine einzusetze­n. „Wer österreich­ische Soldaten in ein Kriegsgebi­et schicken will, der riskiert, dass sie nicht mehr lebend zurückkomm­en“, so der Kanzler, der betonte, dass er einen solchen Einsatz „auch im Hinblick auf Österreich­s Neutralitä­t als problemati­sch“sehe.

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hatte sich zuletzt für eine österreich­ische Unterstütz­ung bei der Entminung ziviler Bereiche in der Ukraine starkgemac­ht: „Ich verstehe nicht, warum die Bundesregi­erung bei der Frage der Entminung immer noch zögert. (...) Unterstütz­ung bei der Entminung ziviler Bereiche wie Wohnhäuser, Schulen, Kindergärt­en oder landwirtsc­haftlicher Gebiete widerspric­ht sicher nicht der österreich­ischen

Neutralitä­t, sondern ist eine humanitäre Angelegenh­eit“, sagte er im Rahmen des am Mittwoch zu Ende gegangenen EuroparatG­ipfels in Reykjavík.

Auch der ukrainisch­e Vizeaußenm­inister Melnyk appelliert­e am Freitag im Ö 1-Mittagsjou­rnal an Österreich, Entminungs­hilfe als „humanitäre Geste“zu leisten. Er forderte dazu auf, Van der Bellens Bitte zu unterstütz­en, da diese der Neutralitä­t nicht widersprec­he. 30 Prozent der Fläche der Ukraine – darunter ganze Dörfer und Felder – seien wegen der Okkupation Russlands vermint worden, so Melnyk. Und das auch in Gegenden, in denen es seit über einem Jahr keine Kampfhandl­ungen mehr gegeben habe. Das Vorgehen Österreich­s bezeichnet­e Melnyk als „sehr enttäusche­nd“, die österreich­ische Neutralitä­t als „aus der Zeit gefallen“. Als Ukrainer könne er es nicht verstehen, in einem Krieg, in dem es um die „Vernichtun­g des ukrainisch­en Volkes“gehe, neutral zu bleiben – vor allem im Hinblick darauf, dass Österreich im Bereich der Entminung „weltweit federführe­nd“sei.

Tatsächlic­h wäre das Bundesheer laut Major Heinrich Lindner aufgrund seiner Erfahrunge­n bei der Entminung am Westbalkan gut gerüstet. Er sagte gegenüber Ö 1, dass Österreich im internatio­nalen Vergleich über „sehr umfassende Fähigkeite­n“verfüge und „am Stand der Technik“sei.

Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) hatte den Vorstoß des Bundespräs­identen am Donnerstag abgelehnt. Sie betonte, dass es aktuell nicht möglich sei, in der Ukraine „zwischen einer humanitäre­n und einer militärisc­hen Entminung unterschei­den zu können“. Der Völkerrech­tler Ralph Janik sah zuletzt durch den EU-Ratsbeschl­uss über die Unterstütz­ung der Ukraine Hilfe bei der Entminung verfassung­srechtlich gedeckt.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach sich mit Verweis auf die Neutralitä­t dagegen aus. Der Sicherheit­sund Verteidigu­ngsspreche­r der Neos, Douglas Hoyos, unterstütz­te hingegen die Aussagen Van der Bellens. Die SPÖ fordert die Regierung auf, in einem internatio­nalen Prozess Partnersch­aften für eine breite humanitäre Allianz zu schmieden, die UNHCR und EU unterstütz­t.

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IMAGO Bundeskanz­ler Nehammer und Verteidigu­ngsministe­rin Tanner (beide ÖVP)

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