Eine Allianz zwischen Krieg und Frieden
Am ersten Tag des G7-Gipfels stand offiziell der Frieden im Vordergrund. Tatsächlich stellt man sich auf das Gegenteil ein. US-Präsident Biden will ukrainische F-16-Piloten ausbilden.
Die Regierungschefs sahen etwas steif aus, als sie vor diesem einmaligen Denkmal stehen und irgendwie freundlich schauen sollten. Es nieselte, im Hintergrund ragte der „Atomic Dome“über ihre Köpfe, jene Ruine mit Kuppelturm, die deutlicher als jedes andere Gebäude an die Wehen durch Atomwaffen erinnert. Am 6. August 1945 wurde Hiroshima von der ersten im Krieg eingesetzten Atombombe verwüstet. Der ramponierte „Atomic Dome“war das einzige Gebäude der Innenstadt, das vor bald 78 Jahren nicht völlig zerstört wurde. Und vor dieser Kulisse posierten die hohen Politiker nun.
Das Bild bei Regenwetter fasst zusammen, wie delikat der G7-Gipfel in Hiroshima ist: Inmitten des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine und weiterer geopolitischer Spannungen wollen die sieben führenden Industriestaaten und die EU zeigen, dass sie für Frieden stehen. Fumio Kishida, Premierminister des Gastgebers Japan, hat Hiroshima auch deshalb als Standort ausgewählt, weil dieses sich seit Jahrzehnten für Pazifismus und nukleare Abrüstung einsetzt. Die einstige Zerstörung will man hier als Mahnung für die gesamte Menschheit verstanden wissen.
Allerdings schwebt über diesem G7-Gipfel derzeit das Gegenteil von Friedfertigkeit. „Dies wird der wichtigste G7-Gipfel der japanischen Geschichte“, hat Kishida im Voraus erklärt. Der Premier des ostasiatischen Landes hat sich schon vor dem offiziellen Beginn des dreitägigen Treffens mit diversen Regierungschefs besprochen. Das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs pazifistisch eingestellte Japan präsentiert sich in Hiroshima als Hegemon Asiens, flankiert von potenten Freunden.
Am Donnerstagabend schüttelte Kishida etwa die Hand von US-Präsident Joe Biden, dessen Land zahlreiche Militärbasen in Japan unterhält, und erklärte die Stärke dieser Allianz. Dann traf sich Kishida mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und dem britischen Premier Rishi Sunak – mit diesen beiden Staaten entwickelt Japan derzeit ein neues Kampfflugzeug. Und nach einem Treffen mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz hieß es, die zwei Staaten würden auch in Bezug auf die Sicherheitsherausforderungen China und Nordkorea „eng zusammenarbeiten“.
Die hier ausgestrahlte Potenz zeigte sich gestern auch in Gestalt des ersten offiziellen Statements. „Wir, die Anführer der G7, bestätigen unsere Verpflichtung, gemeinsam gegen Russlands illegalen, ungerechtfertigten und unprovozierten Angriffskrieg gegen die Ukraine einzustehen.“Die militärische wie finanzielle Unterstützung für die Ukraine werde nicht enden. Was sich auch darin ausdrückt, dass an diesem Wochenende der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spontan zum Gipfel dazustoßen soll. Zuvor traf dieser gestern auch überraschend auf dem Gipfel der Arabischen Liga in Saudi-Arabien ein. Die Sanktionen gegen Russland werden unterdessen weiter verstärkt.
Im Statement heißt es etwa, die G7-Staaten werden dafür sorgen, dass diverse mit dem Militär verbundene Wirtschaftssektoren in Russland vom internationalen Handel abgetrennt werden. Ebenso durch Sanktionen soll das russische Diamantengeschäft blockiert werden. Zudem wolle man seine Abhängigkeit von russischen Rohstoffen weiter reduzieren,
hieß es. Darüber hinaus soll USPräsident Biden laut US-Medien dazu bereit sein, ukrainische Piloten auf F-16-Kampfjets in Europa auszubilden.
Drittstaaten sollen fortan nicht nur dazu ermutigt werden, bei dieser Initiative mitzuziehen. Gegen diejenigen, die etwa den Angriffskrieg Russlands unterstützten, werden die G7-Staaten eigens aktiv werden. Dies ist
nicht zuletzt als klarer Fingerzeig in Richtung China zu verstehen: Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine besteht schließlich die Sorge, dass China es Russland nachmachen und das von Peking reklamierte Taiwan angreifen könnte.
Unklar ist aber, ob die westlichen Staaten ähnliche Sanktionen gegen China beschließen würden. Von der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist jeder G7-Staat deutlich stärker abhängig als von Russland. Um dies zu vermeiden, bemühen sich diese Staaten auch, durch eine Diversifizierung der Wertschöpfungsketten ihre Abhängigkeit zu vermeiden. Nicht zuletzt deshalb hat der Gastgeber Japan Südkorea, Indien, Indonesien, Australien, Brasilien, Vietnam, die Komoren und die Cookinseln eingeladen.