Siebenjährige Nachdenkpause
Nun dämmert es auch Einpeitscher Nigel Farage: Der Brexit scheiterte.
Man könnte wohlwollend anmerken: Besser, eine Einsicht kommt spät als gar nicht. In diesem Fall ist die Tragweite allerdings national und historisch: Einst war Nigel Farage einer der eifrigsten Brexit-Einpeitscher Großbritanniens – jetzt, sieben Jahre nach der Abstimmung, dämmert es auch ihm: „Der Brexit ist gescheitert“, gestand der langjährige Vorsitzende der UK Independence Party (UKIP) und spätere Mitgründer der Brexit-Partei nun in einem Fernsehinterview ein. Zuvor hatte ihm die BBC-Moderatorin eine Liste mit verheerenden und zum Gutteil mit dem Brexit korrelierenden Wirtschaftskennzahlen vorgelesen.
Die Zentrifugalkräfte, die Brexitannia in das Seitenaus drängten, mündeten in das Referendum von 2016: Die Kampagnen dafür waren grenzwertig, hochemotional und irreführend. In der Schlacht um das „Leave!“war es nicht zuletzt Farage, der Öl in das Feuer goss. Heute klingt die Einschätzung des 59-jährigen Rechtspopulisten plötzlich anders: Nein, sein Land habe „vom
Brexit nicht wirklich profitiert, wirtschaftlich gesehen“. Der Hund liege jedoch in der Abwicklung des Austritts begraben, ist zumindest er sich sicher. Ob man besser in der Europäischen Union geblieben wäre? Mitnichten! Prinzipiell sei diese Entscheidung weiter richtig. Fakten scheinen nur eine Nebenrolle zu spielen: Das „Büro für Haushaltsverantwortlichkeit“kalkulierte die Folgen des Brexits: vier Prozent Einbruch der Produktivität der britischen Wirtschaft und 15 Prozent langfristiger Rückgang des Handels mit der EU. Oh dear! Farage, der von 1999 bis 2020 (!) selbst Mitglied des Europäischen Parlaments war, legte den Vorsitz seiner Brexit-Partei erst 2021 nieder. 2017 hatte der auch als Autor, Moderator und Kommentator Tätige übrigens noch in einem Interview bekannt: „Ich werde in das Ausland gehen und dort leben, falls der Brexit sich als Desaster herausstellen sollte.“Let’s wait and see. Die Zeche haben derweil andere – die Bürger – zu bezahlen.