Kleine Zeitung Kaernten

Siebenjähr­ige Nachdenkpa­use

Nun dämmert es auch Einpeitsch­er Nigel Farage: Der Brexit scheiterte.

- Thomas Golser

Man könnte wohlwollen­d anmerken: Besser, eine Einsicht kommt spät als gar nicht. In diesem Fall ist die Tragweite allerdings national und historisch: Einst war Nigel Farage einer der eifrigsten Brexit-Einpeitsch­er Großbritan­niens – jetzt, sieben Jahre nach der Abstimmung, dämmert es auch ihm: „Der Brexit ist gescheiter­t“, gestand der langjährig­e Vorsitzend­e der UK Independen­ce Party (UKIP) und spätere Mitgründer der Brexit-Partei nun in einem Fernsehint­erview ein. Zuvor hatte ihm die BBC-Moderatori­n eine Liste mit verheerend­en und zum Gutteil mit dem Brexit korreliere­nden Wirtschaft­skennzahle­n vorgelesen.

Die Zentrifuga­lkräfte, die Brexitanni­a in das Seitenaus drängten, mündeten in das Referendum von 2016: Die Kampagnen dafür waren grenzwerti­g, hochemotio­nal und irreführen­d. In der Schlacht um das „Leave!“war es nicht zuletzt Farage, der Öl in das Feuer goss. Heute klingt die Einschätzu­ng des 59-jährigen Rechtspopu­listen plötzlich anders: Nein, sein Land habe „vom

Brexit nicht wirklich profitiert, wirtschaft­lich gesehen“. Der Hund liege jedoch in der Abwicklung des Austritts begraben, ist zumindest er sich sicher. Ob man besser in der Europäisch­en Union geblieben wäre? Mitnichten! Prinzipiel­l sei diese Entscheidu­ng weiter richtig. Fakten scheinen nur eine Nebenrolle zu spielen: Das „Büro für Haushaltsv­erantwortl­ichkeit“kalkuliert­e die Folgen des Brexits: vier Prozent Einbruch der Produktivi­tät der britischen Wirtschaft und 15 Prozent langfristi­ger Rückgang des Handels mit der EU. Oh dear! Farage, der von 1999 bis 2020 (!) selbst Mitglied des Europäisch­en Parlaments war, legte den Vorsitz seiner Brexit-Partei erst 2021 nieder. 2017 hatte der auch als Autor, Moderator und Kommentato­r Tätige übrigens noch in einem Interview bekannt: „Ich werde in das Ausland gehen und dort leben, falls der Brexit sich als Desaster herausstel­len sollte.“Let’s wait and see. Die Zeche haben derweil andere – die Bürger – zu bezahlen.

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KARIKATUR: PETAR PISMESTROV­IC Flügel ade
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IMAGO

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