Türkei-Wahl: „Chance auf Freiheit genommen“
72 Prozent der Austrotürken wählen Erdog˘ an – das ist für einige Leser schwer nachvollziehbar.
„Erdog˘ ans Heimspiel bei Austrotürken“, „Welche Zukunft sollen wir in der Türkei noch haben?“, 16. 5. iese Berichte regen sicher viele zum Nachdenken an. Wie ist es möglich, dass von 286.000 hier lebenden Türken, davon 59 Prozent mit österreichischem Pass, 72 Prozent den Diktator Erdog˘an gewählt haben? Sie haben damit wahrscheinlich ihren im Mutterland lebenden Landsleuten die Chance auf mehr Freiheit und Wohlstand genommen.
Diese 72 Prozent sollten für einen längeren Zeitraum in ihre alte Heimat zurückkehren und unter den von Erdog˘an verantworteten katastrophalen Lebensbedingungen leben müssen, damit sie den Unterschied zu Österreichs Annehmlichkeiten schätzen lernen. Es wäre interessant, wie viele Rückkehrer nach dieser „Probezeit“Erdog˘an wieder wählen würden.
Hermann Wellisch, Kapfenberg
DRätselhaft
Trotz Wirtschaftskrise, hoher Inflation, Korruption und Regierungsversagen bei der Erdbebenhilfe hat fast jeder zweite Türke für Amtsinhaber Erdog˘an gestimmt. Wenn Erdog˘an selbst bei diesen Missständen einen solch hohen Zuspruch erfährt, zeigt das, wie sehr er bereits die staatlichen Institutionen und Medien unter seiner Kontrolle hat. Der weitgehend geeinten Opposition gelang es nicht, ihn zu stürzen. Auch wenn Erdog˘an die direkte Wiederwahl letztendlich verpasste, sind seine Chancen, bei der Stichwahl in zwei Wochen erneut zum Staatschef gewählt zu werden, hoch. Dass 72 Prozent (!) der in Österreich lebenden Türken dem umstrittenen Staatspräsidenten, der die Mei
nungsfreiheit einschränkt, Minderheitenrechte mit Füßen tritt und einen autoritären Kurs fährt, ihre Stimme gegeben haben, ist einfach unfassbar. In Österreich die Vorzüge einer Demokratie genießen, aber dem Autokraten Erdog˘an zujubeln. Über dieses rätselhafte Wahlverhalten kann man sich nur noch wundern. Die Ära Erdog˘an wird mit ziemlicher Sicherheit eine Fortsetzung finden.
Ingo Fischer, Lavamünd
Nicht gepunktet
Es ist halt ärgerlich, wenn das Wahlvolk nicht so wählt, wie die politisch Guten und Korrekten es wollten. Da wird dann immer mit Fälschung und
Druck und Benachteiligung argumentiert, nie aber damit, dass die allein demokratischen Parteien, also die vereinigte Opposition, beim Wähler nicht punkteten und umgekehrt der Amtsinhaber scheinbar doch nicht so unbeliebt war. Und: Es ist halt ein bisschen so wie in Ungarn: Wenn die Oppositionsparteien als einziges Programm nur die Abwahl des Amtierenden aufzuweisen haben, scheint das auch nicht besonders attraktiv zu sein. Aber natürlich gehört die Kleine Zeitung zu den Guten und Anständigen, natürlich kommen Erdog˘an-Unterstützer nicht zu Wort, sondern nur die Opposition.
Dr. H. Ernst Pollan,
Schlüsselstaat
Die Türkei ist ein Schlüsselstaat, wenn es um die Beziehungen zu Russland und China geht. Sie kann Vorbild sein, wie ein Staat Religion und Demokratie in der islamischen Welt vereint. Die Türkei hat viele Möglichkeiten, die sie unter der derzeitigen Regierung nicht ausschöpft. Gerade wir in Österreich sind aufgerufen, uns mehr damit auseinanderzusetzen. Nicht umsonst haben viele unserer Mitbürger einen türkischen Migrationshintergrund und nicht umsonst gab es einst starke Verbindungen der Türkei mit Österreich, die sowohl die Aufnahme von politischen Flüchtlingen aus Österreich einschloss als auch die Tätigkeit von Architekten wie Hofbauer. Klaus Höllbacher, Graz
Wieder Narrenfreiheit? „Hitler-Rede in Zug: Duo wurde ausgeforscht“, 16. 5.
Jetzt scheint es allen Immerschon-Gestrigen oder Schonwieder-Gestrigen klar zu sein: Nach diesem Freispruch vor einem Schöffensenat für öffentlich zur Schau gestellte verbotene Nazi-Runen ist wieder wie bis in die 80er Jahre Narrenfreiheit angesagt. Vor österreichischen Schöffensenaten bekomme man ja höchstwahrscheinlich für Wiederbetätigung Freisprüche. Das zeigt auch die fulminante Anzahl von „Einzelfällen“in einer bestimmten Partei. Sollte Peter Turrini recht behalten, wenn er da 2014 geäußert hatte, diese Partei sei eine Brecht’sche Gangsterbande, sie wolle den Staat haben? Diversion hier, Anklageerhebungen da, bald wohl schon nicht mehr im Monatstakt, im Wochentakt, sondern beinahe täglich? Albert Pulferer,
Klagenfurt/Kötschach