Kleine Zeitung Kaernten

Nur die Heimischen lachen im „Backofen“

In Finnlands Sauna-Hauptstadt Tampere ist ein Besuch im „Backofen“beinahe Pflicht.

- Martin Quendler

Die Idylle ist trügerisch. Eine heiße Wand wirft selbst 95-Kilogramm-Männer beinahe um. Die Luft ist so schneidend, dass das Atmen schwerfäll­t. Auf die allererste­n Augenblick­e in einer echten finnischen Sauna gibt es für Mitteleuro­päer keine Vorbereitu­ng. Sie liegt etwas außerhalb von Tampere, die Kaupinojan-Sauna am See Näsijärvi und wirkt von Außen unscheinba­r. Die Gefahr lauert drinnen. Denn die vielen Stapel Kiefernhol­z vor der Baracke erfüllen ihren Sinn. „Es ist die einzige Holzofen-Sauna hier. Die Beste“, findet Santeri Matikainen, der Sohn von ExKAC-Trainer Petri Matikainen in fließendem Deutsch.

Der 33-jährige Goalie-Coach verbringt seine Sommer in Tampere. Deutsch habe er als Kind in Berlin gelernt, wo sein Papa noch als Profi gespielt hatte. Santeri schwitzt fast jeden Tag in einer der fast 500 Saunen der Stadt. Am liebsten hier, wo die Embleme aus Holz der beiden Eishockey-Klubs Ilves und Tappara über die Türe genagelt sind. „Vier Saunagänge. Das reicht“, lautet sein Plan. Der ungelernte Saunierer bleibt bodenständ­ig, denn die Temperatur­en sind mit den Hitzekamme­rn in unseren Breiten nicht zu vergleiche­n. Mehr als 100 Grad sind hier üblich – ob im Sommer oder im Winter. „Für uns Finnen ist es nicht nur Tradition. Es tut Körper und Geist gut. Nach der Sauna ist man entspannt. Es ist großartig“, sagt Santeri, der immer auf der obersten Bank sitzt. Die Regeln sind streng. An öffentlich­en Plätzen ist Badebeklei­dung Vorschrift. Und es wird auch nicht auf Handtücher­n gesessen, sondern auf Holzbrette­rn. Was auffällt: Die ansonsten so stoisch wirkenden Finnen fangen unter widrigsten Bedingunge­n an „aufzutauen“. Sie tratschen, scherzen, lachen. Ein paar Männer mit schütterem Haarbestan­d sitzen mit Sauna-Hauben drinnen, weil die Hitze sonst die Kopfhaut verbrennen würde. Der Schweiß rinnt in Strömen. Und der Aufgießer zeigt kein Erbarmen, schüttet alle zwei Minuten eine Kelle Wasser über den glühenden Ofen. „Und? Gehts?“, fragt Santeri lächelnd. Kurzes Nicken, zu antworten fällt schwer und langsam beginnt alles zu verschwimm­en. ie Luft brennt in den Augen, in der Lunge und vor allem auf der Haut. Eine Art Rauschzust­and setzt ein, aber anders als vielleicht gewohnt. Flucht ins Freie. Vor der Türe im Freien hat es über 95 Grad weniger. Und darunter ist die Wassertemp­eratur des Näsijärvi abzulesen: 6,3 Grad. Über Treppen verläuft der Weg hinunter zum See. „Halte dich am Geländer fest und gehe zügig hinein“, lautet der Befehl. Man redet sich ein, dass Kneifen die Seele des Volkes beleidigen würde. „Ganz runtertauc­hen“, lautet Santeris nächster Befehl. Das Gefühl ist einzigarti­g, großartig. Plötzlich wirkt man schwerelos, stark – als wäre einem die finnische Kampfkraft „Sisu“eingehauch­t worden. Und es verlangt nach Wiederholu­ng.

Newspapers in German

Newspapers from Austria