Die Perfektion der anderen Fußball-Art
AS Roma steht im Europa-League-Finale. Jose Mourinho ist die Antithese zu Pep Guardiola.
Welch ein Hohn, mag sich so mancher Anhänger des schöngeistigen Fußballspiels angesichts des Einzugs der AS Roma ins Finale der Europa League gedacht haben. Nicht die Tatsache, dass der Klub das Endspiel erreicht hat, wirkt verstörend, sondern, wie es passierte. 24 Stunden zuvor hatte das Manchester City des Pep Guardiola die Fachwelt zu Begeisterungsstürmen veranlasst und nun das. Mit einem dem Fundamentalismus dieser Spielart entsprungenen „Catenaccio“gelangt der Portugiese einmal mehr zu fast maximalem
Ruhm. Das Credo des seit zwei Jahrzehnten die globale Fußballgemeinde spaltenden Mourinho ist der Erfolg, dem alles untergeordnet wird. Und so kann es, wenn die Qualität des Kaders kein Offensiv-Spektakel erlaubt, leicht geschehen, dass die Ästhetik des Spiels auf der bleibt. Im HalbfinalRückspiel gegen Bayer Leverkusen exerzierte die AS Roma die Antithese zu Manchester City in Reinkultur vor. Es ist die Perfektion der anderen Art.
Die beiden Startrainer unterscheiden sich aber nicht nur in Stil und Form, sondern auch durch ihren grundsätzlichen Zugang zum Beruf des Fußballtrainers. Pep Guardiola stellt seine Anhänglichkeit, wenn nötig, durch langjährige Engagements unter Beweis. Schon sieben Jahre hält es die treue Seele bei Manchester City, aber das liegt auch daran, dass die Klubchefs den Katalanen gewähren lassen, mit gutem Grund.
Guardiola sucht die Herausforderung im Spiel selbst, Mourinho hat den Anspruch, sich an vielen Schauplätzen zu beweisen, was – in unterschiedlicher Ausprägung – auch gelingt. Wer würde etwa auf Anhieb (richStrecke
tig) vermuten, dass der Portugiese mit Real Madrid einen höheren Punkteschnitt schaffte, als es – bisher – Carlo Ancelotti vermochte? Andererseits scheint der Zenit von Mourinhos Schaffensperiode überschritten zu sein. Mit einer im internationalen Vergleich eher durchschnittlichen Mannschaft wie Roma wäre der Gewinn der Europa League ein Toperfolg.
Die Unterschiede zwischen Guardiola und Mourinho liegen auch in der persönlichen Historie begründet. Der Katalane war ein Spitzenfußballer, schon als Aktiver das Hirn der Manndes FC Barcelona, der in der Tradition des Fußballgenies Johan Cruyff lebte und diese weiterentwickelte. Mourinho blieb die Spielerkarriere versagt, schaffte als Coach des FC Porto den Durchbruch und stellte über die Jahre hinweg als Trainer sein Ego zur Schau, was ihm den Ruf einbrachte, überheblich zu sein. Doch wie viel davon ist echt, wie viel bloß Show? Er ist und bleibt jedenfalls eine der gefragtesten Figuren im Fußball-Geschäft.
Das HalbfinalRückspiel gegen Bayer Leverkusen musste für Mourinho der Inbegriff in der Kunst des Verteidigens sein. 1:23 Torschüsse bei 28 Prozent eigenem Ballbesitz weist die Statistik der Partie aus. Ein Pep Guardiola würde angesichts solcher Zahlen vor Scham vergehen. Doch die auch von Spielverzögerung untermalte Taktik trieb die von seinem ehemaligen Spieler Xabi Alonso betreuten Gegner zur Weißglut. Mourinho weiß naschaft, türlich, dass Zorn kein guter Ratgeber ist, und sprach nach dem Match von „großer Freude, wieder in einem Finale zu stehen“. Er will, sagte er, seine Spieler „wachsen“sehen und nannte sein Team „unglaublich“. Kapitän Lorenzo Pellegrini outet sich als Verehrer Mourinhos. „Er ist der Beste, er hat den Sport verändert.“Das Duell mit dem FC Sevilla ist das sechste Finale für den Portugiesen. Verloren hat er noch keines. Das gilt aber auch für die bereits zum siebenten Mal in einem Endspiel stehenden Andalusier.