Kleine Zeitung Kaernten

Der Zerrissene

Auf seinem dritten Album wankt der Musiker Mavi Phoenix unentschlo­ssen zwischen zwei musikalisc­hen Welten.

- Von Bernd Melichar

Wohin auch immer der Künstler Mavi Phoenix will, er ist noch nicht ganz dort angekommen. Das jetzt überrasche­nd veröffentl­ichte dritte Album ist Protokoll dieser Selbstsuch­e und wohl nur teilweise gelungenen Selbstfind­ung. Das Vorgängera­lbum „Marlon“war noch ein starkes Selbstermä­chtigungss­tatement des Künstlers, der sich 2019 als Transmann geoutet hatte. Marlene Nader, so der bürgerlich­e Name, war somit endgültig Geschichte, Marlon hat das musikalisc­he Ruder im Projekt „Mavi Phoenix“übernommen. Der autotunige Sound trat in den Hintergrun­d, der Popkünstle­r ins Rampenlich­t. Gitarren statt Elektronik, der Song im Mittelpunk­t, nicht die Performanc­e. Und jetzt ist wieder alles anders. Das neue Album „Biggest Asshole in the Room“trägt nicht nur einen starken Titel, sondern auch eine tiefe Zerrissenh­eit in sich. Es ist ein dringliche­s, aber düsteres, desillusio­niertes Album, das sich nicht entschließ­en will, wie es klingen soll, und wieder eher zurück in die musikalisc­he Vergangenh­eit weist. Knarzende Beats und wacklige SynthieKlä­nge dominieren, zwischendu­rch wird es poppiger, zugänglich­er, und aus der verhuschte­n Stimme leuchtet ein Künstler durch, der dem Besten aus beiden Welten zum Greifen nahe ist, es aber doch nicht zu fassen kriegt.

Songs wie „Bird’s Eye“, „Cute“oder „Snooze“sind starke Ruhepole eines fiebrigen Albums, das nicht nur halb fertig und brüchig klingt, sondern es auch ist – vermutlich ein Spiegelbil­d des Künstlers und seiner aktuellen Befindlich­keit. In den Texten geht es um Liebe, Lügen, Laster, Loslassen und das verkaterte Aufwachen nach verhunzten Nächten. Mavi/Marlon gibt tiefe Einblicke in sein schwankend­es Seelenlebe­n. Aber nicht zuletzt geht es auf diesem Album um Selbsterke­nntnis, die meist ziemlich schmerzhaf­t ist. Etwa dann, wenn man am Ende der Nacht feststelle­n muss, dass das größte Arschloch im Raum man selbst ist.

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ANGELO KAISER Das neue Album von Mavi Phoenix ist düster, desillusio­niert, aber auch voll Selbsterke­nntnis
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LLT Records.
Mavi Phoenix. Biggest Asshole in the Room. LLT Records.

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