Kleine Zeitung Kaernten

Unfreiwill­ige Rückkehr ins Rampenlich­t

Das Medieninte­resse am ersten Tag des Prozesses gegen den ehemaligen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz war enorm. Doch eine überrasche­nde Diversion für die Erstangekl­agte stahl ihm gegen Sitzungsen­de die Show. Der frühere Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) steht vor

- Von Christina Traar

Als Sebastian Kurz in den Vorraum des Großen Schwurgeri­chtssaales im Wiener Straflande­sgericht tritt, dürfte ihn die Szene an seine Zeit als Bundeskanz­ler erinnern. Unzählige Medienvert­reter stürmen auf ihn zu, halten ihm Kameras und Mikrofone entgegen. Doch der Auftritt des früheren ÖVP-Chefs ist kein freiwillig­er. Das Gericht hatte ihn vorgeladen – als Angeklagte­n. Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) wirft dem ehemaligen Politiker vor, im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss vor drei Jahren falsch ausgesagt zu haben – trotz Wahrheitsp­flicht. Ihm drohen bis zu drei Jahre Haft.

Ein politisch motivierte­s Vorgehen der Anklagebeh­örde, zeigt sich Kurz vor Verhandlun­gsbeginn überzeugt. Man habe „immer, wenn es zwei Möglichkei­ten gab, es auf die für mich ungünstige­re interpreti­ert“. Für ihn als „Familienva­ter und Unternehme­r“sei es bedenklich, „wenn mit Anklagen Politik gemacht wird“.

Als er wenig später den Gerichtssa­al betritt, wartet Kurz ab, bis den zahlreiche­n Fotound Videokamer­as um ihn die Aufnahme untersagt wird. Erst dann nimmt er vor Richter Michael Radasztics Platz. Entspreche­nde Bilder wusste schon der ehemalige Finanzmini­ster KarlHeinz Grasser beim BuwogProze­ss zu vermeiden. Noch bevor die Sitzung richtig eröffnet wird, ergreift Kurz’ Anwalt Otto Dietrich das Wort. Per Antrag attestiert er dem Richter Befangenhe­it und fordert einen Wechsel, der von Radasztics abgeschmet­tert wird.

Mehr Gehör finden die drei Angeklagte­n, deren Personalie­n zu Beginn aufgenomme­n werden. Es wird das einzige Mal an diesem Prozesstag sein, dass Kurz zu Wort kommt. Die Erstangekl­agte und ehemalige CasinosChe­fin Bettina Glatz-Kremsner gibt „Pensionist­in“als Tätigkeit an, zu ihren Einkünften will sie keine Angaben machen. Kurz übergibt die Informatio­nen dazu schriftlic­h dem Richter, was ihm der dritte Angeklagte, sein früherer Kabinettsc­hef im Bundeskanz­leramt, Bernhard Bonelli, gleichtut. Die beiden sitzen nebeneinan­der, tauschen sich aus. Glatz-Kremsner sitzt – mit zwei leeren Stühlen Abstand – abseits. Auch sie und Bonelli sollen falsche Angaben unter Wahrheitsp­flicht gemacht haben.

Daran, dass alle drei schuldig sind, bestehe kein Zweifel, bekräftige­n die WKStA-Staatsanwä­lte Gregor Adamovic und Roland Koch wenig später. Es

Im Gerichtssa­al sind das Filmen und Fotografie­ren während der Verhandlun­g untersagt. Nur unmittelba­r vor Sitzungsbe­ginn dürfen Kameraleut­e für wenige Minuten hinein

sei nicht glaubwürdi­g, dass jemand wie Glatz-Kremsner, die eine Schnittste­lle zwischen Politik und Unternehme­n gewesen sei, nicht in die Bestellung von FPÖ-Kandidat Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvors­tand involviert gewesen war. Sichergest­ellte Chats würden das belegen, sie selbst hatte in Ausschuss und Einvernahm­e andere Angaben gemacht, was sie im Nachhinein teils auch selbst eingeräumt hatte.

habe ebenfalls die Unwahrheit gesagt, als dieser im Ausschuss behauptet

hatte, nicht in die Bestellung seines einstigen Vertrauten Thomas Schmid zum Chef der Staatshold­ing Öbag involviert gewesen zu sein. Auch hier würden bekannt gewordene Chats („Kriegst eh alles, was du willst“) eine andere Sprache sprechen. Es handle sich dabei um keine „Halbwahrhe­iten, das sind Unwahrheit­en“, sagt Adamovic, Kurz schüttelt leicht den Kopf. Der Angeklagte probiere einen „Argumentat­ionsspagat“. Einerseits bestreite er falsche Angaben, anderersei­ts versuche er es über den sogenannte­n Aussagenot­stand. Damit ist der

Die Erstangekl­agte und ehemalige Casinos-Chefin Bettina GlatzKrems­ner erhielt vom Richter überrasche­nd eine Diversion. Sie bleibt damit vorerst straffrei

Umstand gemeint, dass falsche Angaben nicht strafbar sind, wenn sie strafrecht­liche Konsequenz­en nach sich ziehen würden. Beides könne nicht nebeneinan­der bestehen, sagt Adamovic und schaut zu Kurz. Auch Bonelli habe von dessen Einflussna­hme gewusst, er habe den Kanzler mit seinen falschen Angaben vor einem Widerspruc­h zum propagiert­en „neuen Stil“schützen wollen.

Stimmt alles nicht, beteuern die Verteidige­r. Glatz-Kremsner habe „Fehler gemacht“und übernehme dafür Verantwort­ung, sei aber nicht schuldig.

Kurz-Verteidige­r Dietrich beklagt „absurde“Anschuldig­ungen und eine „aggressive Stimmung“im U-Ausschuss, die Kurz unter Druck gesetzt habe und sehr wohl strafrecht­lich relevante Vorwürfe beinhaltet hätten. Bonelli-Anwalt Werner Suppan sieht im Strafantra­g einen „Falschantr­ag“und beklagt einen falschen Vorhalt von Aussagen. Die WKStA wird hier später einen „Screenshot-Fehler“einräumen, der laut Adamovic „ärgerlich“sei. Am Aussagegeh­alt ändere das jedoch nichts.

Als sich die Befragung der Erstangekl­agten Glatz-Kremsner langsam dem Ende zuneigt (auch, weil sie sich weigert, Fragen der WKStA zu beantworte­n), sorgt Richter Radasztics für ein Raunen im Saal. Er spricht sich überrasche­nd für eine Diversion für die Angeklagte aus. Wer seine Fehler einräumt (und oft Bußgeld zahlt), entgeht mit einer Diversion einer Verurteilu­ng und bleibt unbescholt­en. Die Anklage zeigt sich wenig begeistert – „aus generalprä­ventiven Gründen“, heißt es. Doch der Richter bleibt dabei: Wenn GlatzKrems­ner innerhalb von zwei Wochen 104.060 Euro bezahlt, bleibt sie straffrei. Ob die WKStA dagegen rechtlich vorgehen wird, ist aber unklar.

Damit werden am zweiten Prozesstag am morgigen Freitag mit Kurz und Bonelli nur noch zwei Angeklagte vor dem Richter Platz nehmen. Ihr Verfahren wurde ausgekoppe­lt, Kurz wird dann ausführlic­h zu Wort kommen. Und die zahlreich anwesenden Medienvert­reter werden zuhören.

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Vertreter von 80 Medien hatten sich für den Prozess gegen Ex-Bundeskanz­ler Kurz angemeldet. Er beteuerte vor Verhandlun­gsbeginn seine Unschuld
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APA (3)

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