An den eigenen Zielen vorbei
„Der Diskurs ist entlarvend, weil Bildung als Last betrachtet wird und die Perspektive darauf eine rein monetarisierende ist.“
über eine Lösung für den Lehrkräftemangel.
Österreichs Kinder sollen, wenn es nach den Plänen des Bildungsministeriums geht, demnächst von Lehrpersonen unterrichtet werden, die gerade einmal drei Jahre Studium hinter sich haben und so schnell in die Praxis umsteigen, dass sie kaum Zeit haben, dazu in reflexive Distanz zu gehen. Das Motto: schneller, billiger, bequemer. Auf der Strecke bleibt, was der Bildungsminister selbst als wesentlich benennt: Die Praxis, weil sie ins Studium unsystematisch hineingezwängt wird und die Fachdidaktiken, also die Brücke zwischen schulischem Tun und fachlichen Grundlagen, unverhältnismäßig stark beschnitten werden. Der Schutz der Studierenden, weil – entgegen den Versprechungen – noch kein neues Dienstrecht mitgeliefert wurde. Und die Lösung für den Lehrkräftemangel, weil es fraglich ist, ob die theoretisch mögliche Mindeststudiendauer zu schnelleren Abschlüssen führen wird. Bei einer derartigen Engführung von Ausbildung und Berufseinstieg, die Studierende überfordert und ihre Autonomie untergräbt, ist das kaum zu erwarten.
Statt diese Misere in ihrer ganzen Tragweite zu benennen, ergehen sich bisher veröffentlichte Stimmen in einem Lamento über die im Rahmen des aktuellen Studiums „vergeudete Lebenszeit“. Das ist insofern entlarvend, als Bildung in diesem Diskurs als
Last betrachtet wird und die Perspektive auf das Geschehen eine rein monetarisierende ist.
Das angeblich längste Studium Europas ist ziemlich gleich lang wie alle anderen – und die jetzige Ausbildung kaum länger als die alte, die hat zwar nur 4,5 Jahre gedauert, die anschließende Praxisphase von einem Jahr war allerdings obligatorisch. Lehrer:innen sind in anderen Ländern hoch bezahlte Fachkräfte und in der Gesellschaft sehr angesehen, was auch für Österreich erstrebenswert wäre. Die Konsequenzen davon, dass die UG-Novelle das nicht berücksichtigt, werden wir in ein paar Jahren spüren. Bis dahin ist der akute Lehrer:innenmangel schon wieder Geschichte. Was dann bleibt, ist eine Ausbildung, die weit an ihren eigenen Zielen vorbeigeht.
leitet die Abteilung für Fachdidaktik (AECC Deutsch) an der Universität Klagenfurt.