Die Bettstatt des Bedrohten
Ein trügerisches Sinnbild für naturgegebene Idylle, die es auf diesem Planeten offensichtlich nicht mehr gibt: Im Rahmen des stets beeindruckenden Wettbewerbs „Wildlife Photographer of the Year“des Natural History Museums in London gewann der britische Fotograf Nima Sarikhani mit dieser Aufnahme den Publikumspreis 2024.
Ihm gelang vor der zu Norwegen gehörenden Inselgruppe Spitzbergen dieses friedliche, anmutige, beinahe zärtliche Foto eines mächtigen Eisbären. Das Tier grub sich mit seinen mächtigen Tatzen eine Bettstatt auf einer Eisscholle – und legte sich völlig erschöpft zur Ruhe.
Das Bild ist – wie so oft bei Tierfotos – ein Glückstreffer: Das Expeditionsschiff „Nima“hatte drei Tage lang bei dichtem Nebel erfolglos nach Eisbären Ausschau gehalten. Nach einem Kurswechsel steuerte man auf ein Gebiet mit mehr Meereis zu. Plötzlich tauchten ein jüngerer und ein älterer männlicher Eisbär auf. Das junge Männchen kletterte um Mitternacht auf die paar Quadratmeter Meereis.
Der Eisbär ist nach dem Kodiakbären das zweitgrößte lebende Landraubtier der Welt – männliche Exemplare werden bei einer Kopf-Rumpf-Länge von 250 cm bis zu 500 Kilogramm schwer. Zugleich ist er stark bedroht: Düstere Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 bereits ein Drittel der Tiere – vor allem in südlicheren Verbreitungsgebieten – ausgestorben sein werden; Opfer des Klimawandels und eines stetig dahinschmelzenden Lebensraums. Welch Verlust ein Verschwinden wäre: Eine umfassende Erbgut-Analyse belegte bereits vor Jahren, dass es diese Art schon seit 600.000 Jahren gibt.
Der Fotograf sieht sein Siegerbild wohl eher als einen dringenden Appell: „Eisbären sind unglaublich anpassungsfähig, in manchen Gegenden nimmt ihre Zahl sogar zu. Es ist also noch nicht zu spät, das Schlamassel zu beheben, das wir angerichtet haben“, so Sarikhani. Unweigerlich fällt einem da der Neue-deutscheWelle-Klassiker „Eisbär“ein: „Ich möchte ein Eisbär sein im kalten Polar. Dann müsste ich nicht mehr schrei’n. Alles wär’ so klar. Eisbären müssen nie weinen“, sangen Grauzone. Wer weiß.
Diesen Jänner erinnert das Wetter kaum an Winter. Wie geht es Ihnen da? FELIX NEUREUTHER:
Wenn ich bei mir grad aus dem Fenster schaue: Das ist schon ein Wahnsinn. Ich war gerade mit meiner Frau und den Kindern draußen, den Garten herrichten … Anfang Februar fühlt man sich wie im April. Solche Phasen wird es immer wieder geben. Aber es wird auch wieder wahnsinnig kalt werden, sehr viel schneien.
Sie sind nach der Karriere auch Buchautor, schreiben über die Natur, die Alpen. Warum?
Fakten zu erzählen ist schwierig. Aber mit kleinen, emotionale Geschichten kann man Menschen erreichen. Durch die Bücher habe ich die Möglichkeit, auf Menschen hinzuweisen, die tolle Ideen haben, Vorbilder sind. Menschen, die uns auch zeigen: Es muss nicht immer das Maximum sein. Mitunter ist ein Gänseblümchen wertvoller als ein teurer Blumenstrauß.
Wie vermitteln Sie, dass es, was die Gletscher betrifft, schon eins vor zwölf ist?
Das Vermitteln ist schwierig, man muss es erleben. Es ist dramatisch. Und wenn man sich damit beschäftigt, wie wichtig die Gletscher für den Alpenraum sind und wie schnell sie zurückgehen, versteht man, auf welch massives Problem wir zurollen. Für mich ist es, wie wenn man einem Freund beim Sterben zusieht.
Sehen Sie sich selbst als Klimaaktivist?
Nein, ich bin kein und sehe mich nicht als Klimaaktivist. Auch nicht als Kritiker dessen, was ich selbst gemacht habe: Skisport. Ich bin nach wie vor einer seiner größten Fans, Skifahren ist meine erste große Liebe. Ich will dem Skisport nicht schaden, ich bin kein Nestbeschmutzer. Ich will lösungsorientiert denken, viele dazu bringen, sich selbst auf den Weg zu machen. Was muss man tun, dass Athletinnen und Athleten wieder im Vordergrund stehen? Wie muss man den Skisport aufstellen, damit es auch unseren Kindern noch möglich ist, Skisport zu betreiben? Und zwar nicht nur noch elitären Kreisen?
Warum ist das wichtig?
Weil wir sonst keine Märchen mehr haben, wie das von Hermann Maier, der vom Maurer zum Olympiasieger wurde. Oder meine Mama, die von der Winklmoosalm aus zur Olympiasiegerin wurde. In dieser Form wäre das heute nicht mehr möglich. Dabei brauchen wir als Gesellschaft solche Vorbilder ganz, ganz dringend: Sportler, die mit Werten vorangehen, an die sich die Gesellschaft auch halten kann.
Die da wären?
(39), geboren am 26. März 1984. Rosi Mittermaier, Christian Neureuther Verheiratet mit Mirjam, 3 Kinder 5 WM-Medaillen, 13 Weltcupsiege.
Die Liebe und Verbindlichkeit zur Natur, das Immer-wiederAufstehen, das Kämpfen, das faire Miteinander. Das alles kann der Sport bieten – und die Gesellschaft würde all das brauchen. Der Skisport war früher eine
Familienstand:
Erfolge:
als TVExperte tätig, Buchautor, Gründer der Initiative „Beweg dich schlau“.
Chance, ein anderes Leben zu leben. Meine Mama durfte durch den Skisport die Welt sehen, erleben. Daher: Ich versuche nicht, den Skisport schlechtzureden. Ich versuche, Dinge anzustoßen, damit man für den Skisport Positives machen kann.
Sie zeichnen ein romantisches Skibild. Gibt es das wirklich?
Erst letzte Woche gab es beim Dorflift in Farchant bei Garmisch ein Kinderrennen. Da waren alle mit Herzblut dabei: Feuerwehr, Fußballklub, TSV, es war unfassbar und wunderbar: 225 Kinder mit ihren amilien hatten am Tellerlift eine Gaudi. Nenn mir eine andere Sportart, wo das noch so geht? Du bringst Alt und Jung zusammen, jeder zieht an einem Strang. Das schafft auch der Fußball nicht. Unglaublich, wie toll das im Kleinen funktioniert.
Im Großen nicht?
In den großen Tourismuszentren wäre so etwas nicht mehr möglich. Da stehen andere Interessen im Vordergrund, der Tourismus
ist wichtig. Aber wir müssen die ursprünglichen Werte des Skisports vermitteln. Skisport ist Kultur und Freude am Leben in einer Zeit, die ohnehin mit extremen Problemen behaftet ist. Wir müssen den Kindern doch Hoffnung vermitteln! Das schafft der Sport.
Momentan stellen manche den Skisport eher als Hauptverursacher der Klimakrise dar, oder?
Das stimmt so aber definitiv nicht. Klar, manchmal passieren in Skigebieten Dinge, da schüttelt man den Kopf und denkt: Muss das jetzt sein? Aber: 80 Prozent der CO2-Emissionen entstehen bei An- und Abreise. Der Skisport an sich setzt viele Dinge schon toll um. Etwa, was die Energiegewinnung oder die Schneeerzeugung betrifft. Viel geht in die richtige Richtung.
Warum dann dieses Image? Weil unsere Zeit so ist, die sozialen Medien. Auf einen Post bekommst du 100 positive und eine negative Nachricht – aber
Produkt wieder glaubhaft und verständlich in Szene setzen.
Das Erbe der Alpen
Felix Neureuther mit Peter Neusser und Michael Ruhland: „Das Erbe der Alpen – Was unsere Bergwelt bedroht und warum wir sie retten müssen“.
Gräfe und Unzer Edition, 368 Seiten, 25,90 Euro.