Jenseits der gängigen Fadesse
Mit den Marburgerhöfen in Graz liefern balloon architekten ein schönes Beispiel für Wohnbau, der das Private gekonnt mit öffentlichem Mehrwert kombiniert.
ür ihr (gemeinsam mit Hohensinn Architektur entwickelten) Quartier 7 im neuen Grazer Stadtteil Reininghaus konnten balloon architekten bereits einige Auszeichnungen einheimsen, darunter auch den steirischen Holzbaupreis 2021. Drei- bis sechsgeschoßige Baukörper sind so positioniert, dass sich eine optimale Balance aus Privatheit und Offenheit ergibt. Das autofreie Areal mit zentralem Park und Kinderspielplatz ist auch für die Anrainer nutzbar.
FFür die nun mit dem Bauherrenpreis ausgezeichneten „Wohnbebauung Marburgerhöfe“in unmittelbarer Nähe zum ORFLandesstudio greifen balloon architekten das Erfolgsmodell wieder auf. Wo einst Gebäude eines Schuhherstellers (mit dem auch der Bauträger STP verbunden ist) standen, befinden sich nun fünf drei- bis fünfgeschoßige sogenannte Punkthäuser: Die Erschließung der Wohnungen erfolgt von einem zentralen Kern aus, jede Erschließungszone ist direkt mit der Tiefgarage verbunden. Deren Einfahrt wiederum ist äußerst unauffällig in einer Sackstraße platziert. Unmittelbar daneben fällt die aufwendige Unterflur-Mülltrennungsanlage auf, in Graz die erste ihrer Art bei einem privaten Projekt.
der fünf Baukörper verzahnt das Ensemble mit seiner Nachbarschaft, schafft aber auch schöne eigene autofreie Binnenbereiche und vor allem einen Quartiersplatz, der mit der Kombination aus Café und Bäckerei binnen kurzer Zeit zu einem kleinen Stadtteilzentrum geworden ist“, liest man in der Begründung der Bauherrenpreis-Jury zutreffend. Tatsächlich wirkt das durchaus groß dimensionierte Wohnbauvorhaben – 104 Mietwohnungen, rund zwei Drittel davon im 3Zimmerbereich – weder klobig noch abweisend. Das allein schon ist in Zeiten vor allem von ökonomischer Effizienz getriebener Planungen nicht hoch genug zu schätzen.
Eine wichtige Rolle hinsichtlich der Anbindung der Marburgerhöfe an den öffentlichen Raum spielt der zentrale Makadam-Platz, an dem sich die erwähnte Café-Bäckerei befindet. Mit Magnolien bepflanzt und mit skulptural wirkenden Kunststeinbänken bestückt, ist er ein Gewinn für das soziale Grätzl-Leben. Auch die (vom steirischen Büro Koala Landschaftsarchitektur gestalteten) Freibereiche tun atmosphärisch das Ihre.
Das raffinierte konstruktive Konzept der mit begrünten Flachdächern versehenen Gebäude erlaubt innerhalb der Wohnungen eine maximale Flexibilität. Die tragenden Elemente beschränken sich auf den Erschließungskern und die Außenwände. Wesentliches Augenmerk
wurde hier auch auf Barrierefreiheit gelegt. Umlaufende Balkone bieten sämtlichen Wohneinheiten einen privaten Freiraum, der auch sichtlich genutzt wird. Unterbrechungen der Balkonflächen sorgen dafür, dass das Private privat bleibt.
(die Projektleitung lag wie beim Quartier 7 bei Andreas Gratl) sind ans Fernwärmenetz angeschlossen, noch heuer werden auf den Flachdächern Photovoltaikanlagen montiert. Zwanzig Ladestationen für E-Autos sind vorgesehen, derzeit seien aber die zwei vorhandenen nicht ausgelastet, sagt Dennis Lin von STP. Lin ist auch überzeugt, dass sich der Wettbewerb (aus dem balloon als Sieger hervorgegangen sind) sowie die Entscheidung, in Details und Material zu investieren, gelohnt hätten. Keine der Wohnungen sei auch nur einen einzigen Tag leer gestanden, es gäbe Wartelisten. Aber: „Wir stellen fest, dass die Menschen bleiben wollen.“Und das sei auch bei relativ moderaten Mieten langfristig das beste Geschäft.
Die Architekten
balloon architekten wurden 2003 in Graz von Iris Rampula, Andreas Gratl und Johannes Wohofsky gegründet. Neben Planungen im Schulbereich ist der Wohnbau ein zentrales Thema des Büros, für Projekte in diesem Bereich gab es 2019 Holzbaupreise, für die Marburgerhöfe den Bauherrnpreis 2023.