Stochern im Spionagenebel
Dass die Justizministerin den Spionageparagrafen reparieren will, ist richtig. Wenn hier aber weiterhin ein halbblinder Verfassungsschutz ermitteln soll, wird das nichts.
ie Vorwürfe wiegen schwer. Ehemalige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, allen voran der festgenommene Kärntner Egisto Ott, sollen geheime Informationen auf heimischem Boden gesammelt und an Höchstbieter im Ausland verkauft haben – unter anderem an den russischen Ge- heimdienst. Die Sache könnte zu einer der größten Spionageaffä- ren des Landes werden, Ott be- streitet die Vorwürfe.
Dass Wien als Spionagepara- dies gilt, liegt auch an seiner Ge- schichte. Als neutraler Staat konnte Österreich UNO, OSZE und Opec davon überzeugen, dass seine Hauptstadt der idea- le Ort für eine Niederlassung ist. Auch die geografische Lage und die hohe Lebensqualität über- zeugen. Was hingegen Agenten und Spione am meisten an der Stadt schätzen, ist ihr Ruf, ein Auge zuzudrücken, wenn aus- ländische Interessen auf Wiener Boden ausspioniert werden. Vo- rausgesetzt, es handelt sich nicht um jene der Republik oder der genannten Organisationen. Wer sich in seiner „Recherche“nicht zu offensiv verhält, darf gewähren. Dem will Justizmi- nisterin Alma Zadić (Grüne) nun
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per Gesetzesänderung einen Riegel vorschieben, künftig soll es auch strafbar sein, hier ansäs- sige Einrichtungen und Staaten auszukundschaften.
Doch einer solchen Verschär- fung stünde ein halbblinder Ver- fassungsschutz gegenüber, der kaum imstande wäre, diese um- zusetzen. Der heutigen Direkti- on für Staatsschutz und Nach- richtendienst (DSN) fehlt als ei- ner der letzten Staatsschutz- Akteure im europäischen Raum weiter Zugriff auf Messengerdienste. Da auch Spione längst nicht mehr in Trenchcoat und Tiefgaragen Informationen aus- tauschen, sondern im digitalen Raum, wäre die geplante Ver- schärfung kaum zu ahnden.
Aktuell sind die heimischen Ermittler auf Hinweise auslän- discher Partnerdienste ange- wiesen, auch in der Ott-Affäre kamen wichtige Chats von briti- schen Kollegen. Diese erschüt- tert – nach jener um das skandalgebeutelte Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – nun erneut den Glauben an die rotweiß-rote Vertrauenswürdigkeit, die mit der Neuaufstellung des Staatsschutzes erst mühsam wieder aufgebaut wurde.
Die ÖVP wittert ihre Chance, die seit Langem geforderten Zugriffsrechte auf digitale Kommunikation mit der vom Koalitionspartner angekündigten Gesetzesänderung zu verknüpfen. Doch die Absage der Grünen folgte prompt, womit eine für das Vorhaben nötige türkise Zustimmung in weite Ferne rückt. Lachender Dritter wären weiterhin unbehelligte Agenten. ie grüne Angst vor dem Überwachungsstaat ist ebenso überzeichnet wie die überbordende Neugier der ÖVP. Werden die Zugriffsrechte verfassungskonform und mit strengen Auflagen erweitert, hebt man den Staatsschutz auf die Höhe der Zeit und dasselbe Niveau wie ausländische Partner. Und erleichtert nicht nur das Ausforschen ausländischer Spione, sondern auch jener, die, wie mutmaßlich auch Egisto Ott, aus dem eigenen Land heraus operieren.
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