Das blaue Teflon
Die FPÖ ist mittendrin bei wechselseitigen Vorwürfen zur Parteibuchwirtschaft, hat in Graz einen Finanzskandal – und nimmt trotzdem keinen Schaden. Warum?
ie Wahl wie die NichtWahl einer Partei ist oftmals eine Melange mehrerer Überlegungen und Emotionen, die auch gegensätzlich sein können. Einerseits der Kopf, andererseits der Bauch. Legte man die Motive der Nicht-Wahl der Freiheitlichen im Jahr 2019, als die Blauen zehn Prozentpunkte verloren, auf eine Waage, fiele Ibiza, das der Grund für die Neu- wahl war, kaum ins Gewicht. So- gar unmittelbar nach Auftau- chen des Videos, wenige Tage später, hatte die FPÖ bei der EU- Wahl nicht viel verloren.
Was die Blauen im Herbst 2019 abstürzen ließ, war nicht das auf Film gebannte korrupti- ve Verhalten, sondern waren üp- pige Spesenabrechnungen, die den leutseligen Heinz-Christian Strache als Nehmer mit Hang zum Luxus outeten, zwar nur zulasten seiner Partei, dennoch hatten diese Aufdeckungen De- mobilisierungskraft und führ- ten, nach der Wahl, sogar zu des- sen Suspendierung.
Der altbekannte blaue Wahl- spruch „Unser Geld für unsere Leut’“dürfte auch in der Steier- mark wörtlich genommen wor- den sein, bewegt hier aber die Balken in den Umfragen kaum.
Dsimon.rosner@kleinezeitung.at
Die FPÖ ist in der Steiermark obenauf, genauso wie im Bund, wo die Ermittlungen aus Graz schlicht gar keine Rolle spielen. Gewiss, die Sachlage ist anders als bei Strache, trotzdem ist es bemerkenswert, wie immun die Freiheitlichen geworden sind.
Dass die FPÖ beim Geschiebe und Geschachere der jüngeren Vergangenheit mittendrin war, ist in vielen Chats gut dokumen- tiert. Gerade eben wieder, vom ORF bis zur Polizei. Aber andere auch. Dass die FPÖ eine starke Neigung (im Fall der ehemali- gen Außenministerin Karin Kneissl war es sogar ein Hof- knicks) in Richtung Russland offenbart, ist ebenso belegt. Aber eben andere auch, die mit Putin vor gar nicht so langer Zeit schäkerten. In einer solchen Gemengelage ist es nicht so leicht, den Durchblick zu wah- ren.
Ein weiterer Grund für den Hö- henflug der FPÖ ist, dass es der
Partei gelungen ist, sich eine ganz eigene Kommunikationswelt – von Social Media über Magazine bis zu nahestehenden TV-Sendern mitsamt den dazugehörigen einschlägigen Expertinnen und Experten – aufzubauen, in der die geballte Kritik der Konkurrenz oder von etablierten Medien kaum, und wenn doch, dann gebrochen, vorkommt. Über ein vergleichbares mediales Paralleluniversum verfügt in Österreich keine andere Partei oder Bewegung. och schon 2016 hatte die FPÖ in Umfragen den Dreier vorne stehen, lag auf Platz eins und Norbert Hofer wurde beinahe Bundespräsident. Bei der Nationalratswahl 2017 drehte Sebastian Kurz das Ergebnis um. Er hatte die FPÖ mit ihren Themen und ihren Vorhaben nicht kopiert, aber neu interpretiert. Mit Erfolg. Damals gewann bei Hunderttausenden FPÖ-Wählern der Kopf das Match mit dem Bauch in dem Sinn, dass Kurz und seiner neuen Volkspartei es eher zugetraut wurde, eine scharfe Migrationspolitik und einen neuen Politikstil umzusetzen. Darauf setzt die ÖVP auch diesmal. Oder besser: Sie hofft es.
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