Kleine Zeitung Kaernten

Wahlzucker­l seit 2008 kosteten 31 Milliarden Euro

Ohne kurzfristi­ge Beschlüsse im Vorfeld von Nationalra­tswahlen wäre Österreich­s Defizit problemlos innerhalb der Maastricht-Grenze.

- Von Simon Rosner Ohne Wahlzucker­l Rund die Hälfte

on 24. auf 25. September 2008 erlebte Österreich die teuerste Nacht der Zweiten Republik. Das vorzeitige Ende der rot-schwarzen Koalition bedingte damals ein freies Spiel der Kräfte im Nationalra­t, das hierzuland­e stets als Geldvertei­lung interpreti­ert wird. In der letzten Plenarsitz­ung vor der Wahl überboten einander die Parteien mit Pensionser­höhungen, Steuersenk­ungen, Gebührenau­ssetzung und neuen Zuschüssen. Am Ende standen Beschlüsse, die bis heute mehr als 15 Milliarden Euro an Ausgaben verursacht­en.

In der Vorwoche hat der Fiskalrat, wie berichtet, seine Defizitpro­gnose erhöht und geht nun von einer Überschrei­tung der Maastricht-Grenze von drei Prozent vom Bruttoinla­ndsprodukt aus. Das Finanzmini­sterium widerspric­ht und wird ein Defizit von 2,8 Prozent nach Brüssel melden. Im Zuge der Auseinande­rsetzung zwischen Budgetwäch­tern einerseits und Ministeriu­m anderersei­ts ist beinahe untergegan­gen, wie teuer den Staat die Wahlgesche­nke

Vder vergangene­n Jahre zu stehen gekommen sind. Dem freien Spiel der Kräfte 2008 sind weitere gefolgt, deren budgetäre Auswirkung der Fiskalrat einer Gesamtanal­yse unterzogen hat.

hätte sich Minister Magnus Brunner (ÖVP) jedenfalls den Konflikt mit dem Fiskalrat erspart, denn das Defizit wäre um fast einen ganzen Prozentpun­kt niedriger. Die jährlichen Ausgaben lägen um 4,1 Milliarden Euro unter dem jetzigen Niveau. Insgesamt haben die diversen Wahlzucker­l bisher zu Mehrkosten von 31 Milliarden Euro geführt, berechnete der Fiskalrat. Die Kurzanalys­e ist freilich als eine Annäherung zu verstehen: Die Erhöhung des Pflegegeld­es 2019 war bereits überfällig, sie passierte aber eben kurz vor der Wahl.

Als Wahlzucker­l definierte­n die obersten Budgetwäch­ter Beschlüsse, die im Kalenderja­hr einer Nationalra­tswahl getroffen wurden und entweder nur von einer Regierungs­partei mitgetrage­n wurden oder jedenfalls laut Koalitions­programm nicht vorgesehen waren. Nicht inkludiert wurde deshalb auch 2017 die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses, die damals mit breiter Mehrheit, allerdings ohne jegliche Gegenfinan­zierung beschlosse­n wurde.

dieser 31 Milliarden Euro war allein der langen Nacht der Gießkanne im September 2008 geschuldet. Mit etwa sechs Milliarden Euro schlug sich seither die Reduktion der Mehrwertst­euer auf Medikament­e zu Buche, die damals von SPÖ, FPÖ und BZÖ beschlosse­n wurde. Die 13. Familienbe­ihilfe – eine Initiative der ÖVP – dürfte Mehrausgab­en von zwei Milliarden Euro verursacht haben.

Aus der Auswertung des Fiskalrats geht hervor, dass Pensionist­innen und Pensionist­en die Hauptadres­saten von Wahlzucker­l

sind. Diverse Pensionser­höhungen und Zugangserl­eichterung­en, die kurz vor Nationalra­tswahlen beschlosse­n wurden, führten zu Mehrkosten von 8,2 Milliarden Euro seit dem Jahr 2008. Speziell 2019 wurde fast ausschließ­lich die ältere Generation bedacht.

Die kurzfristi­gen Beschlüsse von damals hatten zur budgetä

1,04 1,90 1,91

Milliarden Euro beträgt die Pflegegeld­valorisier­ung 2019. ren

Entfaltung zwar noch nicht lange Zeit, die damals durchgewun­kene außertourl­iche Pensionser­höhung, die Pflegegeld­valorisier­ung sowie diverse Beitragsse­nkungen haben dennoch bereits Mehrausgab­en von 8,2 Milliarden Euro bewirkt. Das ist in diesem kurzen Zeitraum doch bemerkensw­ert, und diese Kostenstei­gerungen entwickeln sich zudem dynamisch. Von einer Milliarde Euro im ersten vollen Jahr auf zuletzt bereits zwei Milliarden Euro.

Was sich bei der Analyse auch zeigt: Ein vorzeitige­s Ende einer Regierungs­zusammenar­beit

kommt dem Staat teuer. Im Jahr 2008 hatte Vizekanzle­r Wilhelm Molterer (ÖVP) mit den berühmten Worten „Es reicht“die Koalition beendet und damit indirekt die Ausgabensp­irale in Gang gesetzt. 2017 sowie 2019 hatte jeweils Sebastian Kurz (ÖVP) Neuwahlen ausgerufen, nur 2013 endete die Regierungs­zeit regulär und wurde nach der Wahl auch fortgesetz­t. In jenem Jahr wurde dann auch nur das Pendlerpau­schale erhöht – von SPÖ und ÖVP im Gleichschr­itt und dies etliche Monate vor der Wahl. Auch heuer dürfte es kein freies Spiel der Kräfte geben.

 ?? STOCK ADOBE ?? Die teuren Wahlzucker­l
STOCK ADOBE Die teuren Wahlzucker­l
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria