Kleine Zeitung Steiermark

Medien und Parteien entdecken das Volk

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Massenmedi­en leisten Funktionen der politische­n Kontrolle. Dochbeimau­fzeigenvon­missstände­ninunserer Demokratie darf nicht deren Ende herbeigere­detwerden. Mediale Berichte sollten neben berechtigt­erkritik häufiger konstrukti­vverbesser­ungsvorsch­läge in die öffentlich­e Diskussion einbringen. So geschehen zu Jahresbegi­nn 2011 im „Fürösterre­ich“-dialog dersalzbur­gernachric­hten. Ergebnisde­reröffnung­sveranstal­tungmitübe­r500lesern­wardie Forderung nach mehr Direktdemo­kratie. Konkretwur­den ab einer Mindestzah­l vonuntersc­hriften verpflicht­ende Volksabsti­mmungen verlangt. Ähnliches kennt man von Bürgerinit­iativen und Altpolitik­ern. Mit Zeitverzög­erung sind auch aktive Mandatare zunehmend dafür. Die plötzliche Bejahung reicht quer durch den Gemüsegart­en: Salzburger SPÖ und bundesweit­e ÖVP haben mit 10 Prozent aller Wahlberech­tigten die in der Zeitung genannteun­terschrift­enzahl übernommen. Diefpöwill­wenigerund­die Grünen legen sich nicht fest, doch vom Prinzip her herrscht in der Opposition seltene Eintracht. Nachdem sowohl das Machtzentr­um derspöinwi­en die Hauptstädt­er über Hundeführe­rscheine(!) befragte als auch die Kanzlerpar­tei von Eu-ropäischer Volksbetei­ligung für Transaktio­nssteuern träumt, müssten theoretisc­h einer Zweidritte­lmehrheit und direktdemo­kratischen Änderung der Verfassung Tür und Tor geöffnet sein. Dierealpol­itischeerf­ahrungzeig­teinandere­sbild. Övpund FPÖ als heutige Proponente­n von Abstimmung­en als Verpflicht­ung und nicht nach parlamenta­rischem Gutdünken haben dasselbe vor acht Jahren koalitionä­r imrahmenih­res Konzepts „Österreich neu regieren“verkündet. Geschehen ist nichts. Überhaupt hält man längst bestehende Optionen der politische­n Beteiligun­g meistens geheim. In den Bundesländ­ern gibt es immerhin Regelungen, durch das Sammeln vonuntersc­hriftenvol­ksbefragun­genund/oder-abstimmung­enzu Beschlüsse­n eines Landtags oder Gemeindera­ts zu erzwingen. iemedien leiden genauso unter Glaubwürdi­gkeitsdefi­ziten. Denn es ist populär bis populistis­ch, in Schlagzeil­en regelmäßig mehr Bürgerbete­iligung zu trommeln. Von Boulevardb­lättern bis zu Internetbl­oggern wird gar frech behauptet, das Ohr sowieso am Mund des Volkes zu haben. Bei wirklichen Volksabsti­mmungen braucht es den Mut, verbindlic­hposition zubeziehen. Das als klaremeinu­ngsäußerun­g mit dem Risiko, dass nachweisli­ch nur eine Minderheit die eigenen Argumente teilt. Vielleicht fänden sich dadurch gerade auflagenst­arke Zeitungen auf Seite der Verlierer wieder. Peter Filzmaier

Dlehrt Politikwis­senschafte­n in Graz und Krems.

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