Kleine Zeitung Steiermark

Vergoldete Liebe zwischen Frauen

Regisseur Abdellatif Kechiche gewann die Goldene Palme von Cannes.

- AP CHRISTIAN UDE

Abdellatif Kechiche teilt die Palme mit seinen Protagonis­tinnen

Fast drei Stunden dauert der Sieger von Cannes 2013 – und bringt mit einer seltenen Direktheit Liebesszen­en zwischen zwei Frauen auf die Leinwand: Dass die Jury der größten Filmfestsp­iele der Welt „Das Leben der Adele“mit der Goldenen Palme auszeichne­t, kam für viele überrasche­nd, andere sprachen von „einer Wucht der Zärtlichke­it“.

Die Titelfigur ist erst 15, als sie der älteren, blauhaarig­en Emma begegnet (deshalb heißt auch der englische Verleihtit­el des Dramas „Blau ist die wärmste Farbe“), mit der sie eine Beziehung beginnt, in der sie sich findet, aber auch wieder verliert. Es waren freilich nicht die einzigen pornografi­schen Szenen im offizielle­n Programmdi­esesCannes­Jahrgangs. Bei der Verleihung betonte Jury-Präsident Steven Spielberg, dass die Palme nicht nur dem Regisseur Abdellatif­Ke- Karriere: Begann am Theater, erste Filmrolle 1984. Seit 2000 arbeitet er auch als Drehbuchau­tor und Regisseur: u. a. „Vénus noir“und „Couscous mit Fisch“. chiche, sondern gleichzeit­ig den Hauptdarst­ellerinnen Lea Seydoux und Adele Exarchopou­los gebührt. Der in Tunesien geborene Franzose ist Auszeichnu­ngen gewohnt: 2007 bekam er in Venedig den Silbernen Löwen für „Couscous mit Fisch“, bei den Césars – dem französisc­hen Äquivalent zum Oscar – wurde er schon mehrfach prämiert.

Kechiche begann seine Karriere als Schauspiel­er, ehe er im Jahr 2000 mit dem Außenseite­rdrama „Voltaire ist schuld“hinter die Kamera wechselte. „Das Leben der Adele“ist seine mittlerwei­le fünfte Regie-Arbeit, in der er nun Körper und Seelen vor aller Augen bloßlegt. „Es ging mir nicht darum, Homosexual­ität zu bewerten. In erster Linie wollte ich die Geschichte eines Paares erzählen. Ich dachte mir auch in keiner Einstellun­g beim Drehen: ,Aber das sind doch Frauen!‘“, erklärte der 52-Jährige in Cannes.

Es ist auch eine Geschichte des Erwachsenw­erdens, eine Suche nach der eigenen Identität, frei adaptiert nach einem Comic von Julie Maroh. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätten die Stöhnorgie­n jedenfalls eine Diskussion über Pornografi­e im Kunst- und Autorenkin­o ausgelöst. Die Buchmacher von Cannes hatten daher eher auf die Darsteller­preise als auf die Goldene Palme getippt. Der österreich­ische Kinostart steht noch nicht fest.

Newspapers in German

Newspapers from Austria