Vergoldete Liebe zwischen Frauen
Regisseur Abdellatif Kechiche gewann die Goldene Palme von Cannes.
Abdellatif Kechiche teilt die Palme mit seinen Protagonistinnen
Fast drei Stunden dauert der Sieger von Cannes 2013 – und bringt mit einer seltenen Direktheit Liebesszenen zwischen zwei Frauen auf die Leinwand: Dass die Jury der größten Filmfestspiele der Welt „Das Leben der Adele“mit der Goldenen Palme auszeichnet, kam für viele überraschend, andere sprachen von „einer Wucht der Zärtlichkeit“.
Die Titelfigur ist erst 15, als sie der älteren, blauhaarigen Emma begegnet (deshalb heißt auch der englische Verleihtitel des Dramas „Blau ist die wärmste Farbe“), mit der sie eine Beziehung beginnt, in der sie sich findet, aber auch wieder verliert. Es waren freilich nicht die einzigen pornografischen Szenen im offiziellen ProgrammdiesesCannesJahrgangs. Bei der Verleihung betonte Jury-Präsident Steven Spielberg, dass die Palme nicht nur dem Regisseur AbdellatifKe- Karriere: Begann am Theater, erste Filmrolle 1984. Seit 2000 arbeitet er auch als Drehbuchautor und Regisseur: u. a. „Vénus noir“und „Couscous mit Fisch“. chiche, sondern gleichzeitig den Hauptdarstellerinnen Lea Seydoux und Adele Exarchopoulos gebührt. Der in Tunesien geborene Franzose ist Auszeichnungen gewohnt: 2007 bekam er in Venedig den Silbernen Löwen für „Couscous mit Fisch“, bei den Césars – dem französischen Äquivalent zum Oscar – wurde er schon mehrfach prämiert.
Kechiche begann seine Karriere als Schauspieler, ehe er im Jahr 2000 mit dem Außenseiterdrama „Voltaire ist schuld“hinter die Kamera wechselte. „Das Leben der Adele“ist seine mittlerweile fünfte Regie-Arbeit, in der er nun Körper und Seelen vor aller Augen bloßlegt. „Es ging mir nicht darum, Homosexualität zu bewerten. In erster Linie wollte ich die Geschichte eines Paares erzählen. Ich dachte mir auch in keiner Einstellung beim Drehen: ,Aber das sind doch Frauen!‘“, erklärte der 52-Jährige in Cannes.
Es ist auch eine Geschichte des Erwachsenwerdens, eine Suche nach der eigenen Identität, frei adaptiert nach einem Comic von Julie Maroh. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätten die Stöhnorgien jedenfalls eine Diskussion über Pornografie im Kunst- und Autorenkino ausgelöst. Die Buchmacher von Cannes hatten daher eher auf die Darstellerpreise als auf die Goldene Palme getippt. Der österreichische Kinostart steht noch nicht fest.