Vommoped und dem Hinterngefühl
Maria Lassnig erhält in Venedig den Lebenswerk-preis. Ein Retourblick.
Körperbewusstsein, auf Leinwand gebracht: Malerin Maria Lassnig
Sie ist 93. „Die Leute denken ja, man ist ein toter Stein. Aber in Wahrheit ist man sehr lebendig. Selbst die Libido hört nicht auf, furchtbar!“, sagt sie.
Am Samstag erhält sie bei der Kunstbiennale in Venedig für ihre beispielhafte Unabhängigkeit und Durchsetzungskraft den Goldenen Löwen. „Feiern mag ich gar nicht. Ich will immer nur raus aus dem Menschengewusel und einsam arbeiten“, sagt sie.
Mit ihren „Body Awareness Paintings“habe sie laut Jury den Körper zum Mittel der Selbsterkenntnis gemacht. „Meine Bilder sind introspektive Erlebnisse, mit denen ich schon 1948 begann, als Hermann Nitsch noch in den Windeln lag – also ich zeichne etwa nicht den Hintern, nur weil ich weiß, wie der ausschaut, sondern das Hinterngefühl“, sagt sie.
Bei ihrer ersten großen Personale in England 2008 wurde sie als Jahrhundertentdeckung gefei- 1941 Studium an der Akademie der bildenden KünsteWien, 1961 nach Paris, 1968 nach New York, 1980 Rückkehr nachWien, Professur an der „Angewandten“. 1982 Biennale Venedig, 1997 documenta Kassel. ert. „Ich hatte immer das Gefühl, ich werde nicht akzeptiert. Einmal schrieb ich scherzhalber auf eine Zeichnung ,Sehr gutes Blatt‘, weil ich fürchtete, die anderen sehen es nicht so“, sagt sie.
Sie ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Gegenwart. „Ja, ich bin ein Verkaufsschlager. Aber ich mag nicht so viel Geld haben, weil ich gar nicht weiß, was ich damit soll“, sagt sie.
Sie hat als Schutzgöttin der Liebespaare zig Freundschaften gekittet, selbst aber keine Familie. „Ich konzentriere mich so auf die Kunst, dass das Leben gar keine Rolle spielt“, sagt sie.
Sie fuhr früher leidenschaftlich gern Ski. Und Moped, „1984 mit meiner Puch Supermaxi hinauf auf 1100Meter zu meinem Anwesen im Metnitztal, aber nur ein Jahr lang, bis ich in einen Laternenpfahl krachte“, sagt sie.
1941 radelte sie von Kärnten nachWien, zurAufnahmsprüfung an der Akademie. „Ich wurde genommen, dazwischen als ,Entartete‘ aus der Klasse geworfen und von einer Mitschülerin beim NSStudentengericht verklagt. Ich hatte Scheißangst“, sagt sie.
Weil sie als Kind dauernd kritzelte und ihre Hand so abnormal verkrümmte, suchte ihre Mutter besorgt einenWahrsager auf, der empfahl, die Tochter unbedingt zu fördern. „Der Mann wusste ja gar nicht, wie recht er hatte“, sagen wir, und: „Chapeau, Maria Lassnig!“