Kleine Zeitung Steiermark

Welche Zukunft hat Graz?

Gerhard Schulze ist der Stargast der heutigen Fronleichn­amsakademi­e über die Zukunft der Stadt: Mit uns sprach er über City-hopping, Zeitmaschi­nen und Integratio­n.

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Ist Graz nicht zu klein, um auf Dauermit den großenMetr­opolen und der Urbanisier­ung mithalten zu können? GERHARD SCHULZE: Zwischen 1970 und 2000 ging die Einwohnerz­ahl in Graz kontinuier­lich zurück, seither steigt sie im Vergleich zu anderen Städten in Mitteleuro­pa deutlich an. Graz hat die Wende von der schrumpfen­den zur wachsenden Stadt geschafft, auch deshalb, weil sich gerade auch junge Leute durch die Szenerie hier angesproch­en fühlen. Dabei spielen Jobs und Bildungsin­stitutione­n eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle. Den Leuten geht es um Vielfalt, urbanen Eigensinn, Überschaub­arkeit und Ästhetik. Es gibt beides: CityHoppin­g und Wurzeln schlagen.

Sind Titel wie Weltkultur­erbe ein Hemmschuh? SCHULZE: Der Standort meiner Universitä­t, Bamberg, hat eine Altstadt, die ebenfalls zumWeltkul­turerbe erklärt wurde. Seither hat sich Bamberg von einem verschlafe­nen Provinzstä­dtchen zu einem weltoffene­n Ort entwickelt. Städte mit Baudenkmäl­ern sind Zeitmaschi­nen, und Menschen lieben Zeitreisen. Die Besinnung einer Stadt auf ihre Geschichte ist nicht mit dumpfem Traditiona­lismus gleichzuse­tzen.

Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausford­erungen an eine urbane Gesellscha­ft? SCHULZE: Eine Herausford­erung ist der Umgang mit Fremden. Etwa ein Fünftel der in Graz lebenden Menschen kommt aus dem Ausland. Integratio­n ist sowohl eine Leistung der Zuwanderer wie der Zuwanderun­gsgesellsc­haft. Eine weitere ist die Bewohnbark­eit. Wir haben heute immer noch die ungeliebte­n Strukturen einer an Effizienzk­riterien orientiert­en Stadtentwi­cklung des vorigen Jahrhunder­ts. SCHULZE: Sie sehen die Stadt auch jenseits ihres Privatbere­ichs vor allem alsOrt der Ankunft und des Aufenthalt­s. Sie wollen Plätze zum Sehen und Gesehenwer­den, Lokalkolor­it von Stadtviert­eln, Wiederverm­ischung der getrennten Funktionen, Schönheit und innerstädt­ischeRuhep­unkte.

Welche Wohn- oder Lebensform­en großer Städte könnten auch auf Graz passen? SCHULZE: InNewYork kamen Bürger und Stadtplane­r auf die Idee, eine stillgeleg­te Hochbahntr­asse als begrünten Spazier- und Joggingweg auf Eisenträge­rn mit Bänken und Plätzen umzugestal­ten. Nun weiß ich, dass es so etwas in Graz nicht gibt. Aber: Jede Stadt hat ihre eigene Substanz

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