Eine seltsame Liebe
Die ÖVP verbindet mit Europa eine seltsame Liebe. Die Partei hatte ihre Begeisterung für den gemeinsamen europäischen Markt schon früh entdeckt, als der SPÖVorsitzende Pittermann die EWGnoch als „kapitalistischen Bürgerblock“bezeichnete. Und auch später war es die ÖVP, die zum Beitritt in die Europäische Gemeinschaft drängte, während die SPÖ blockte. Dass die Roten amEnde doch zugestimmt haben, war wesentlich Verdienst des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky, der seine Partei hinter sich herzog.
Die ÖVP darf sich daher aufgrund ihrer Geschichte als Europapartei bezeichnen. Merkwürdig ist allerdings, dass wir die Katastrophen, die Österreichs Ansehen in Europa schwer beschädigt haben, der ÖVP verdanken. Als KurtWaldheim 1986 für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, wurde seine verschwiegene Vergangenheit im nationalsozialistischen Krieg zum Thema derwestlichen Medien: Waswusste er über den Judenmord, über dieTransporte, was lief über seinen Schreibtisch? Bald ging es nicht mehr umWaldheim, sondern umÖsterreich selbst: wie dieses Land sich vier Jahrzehnte durchgeschwindelt, seinen beträchtlichen Anteil an den nationalsozialistischen Verbrechen verheimlicht hatte. Der ÖVP-Slogan „Wir Österreicher wählen, wenwirwollen! Jetzt erst recht“war eine offene Kampfansage anwestlicheWerte, war eine Katastrophe für Österreich, verhalf aber KurtWaldheim zum Sieg und gleichzeitig Jörg Haider zum Aufstieg.
Als Haider mit seinerFPÖdieÖVPüberholthatte, schloss Wolfgang Schüssel ein Bündnis mit ihm. Diewestlichen Demokratien tobten, am meisten Frankreich. Das kann man verstehen: Die französischen Konservativen hätten gemeinsam mit dem FrontNational seit Langem dieMehrheit, haben dieses Bündnis aber nie geschlossen, weil es ihnen zu schmutzig ist. Schüssel hat es getan und hat zum nationalen „Schulterschluss“gegen die Empörung derwestlichen Demokratien aufgerufen. Der ÖVP hat es vorübergehend genützt, dem Land hat es schwer geschadet. Und wieder ging’s umdasselbe: umNazivergangenheit und Rechtsextremismus. Hört denn das nie auf in Österreich?, hat sich derWesten gefragt. nd jetzt das Bankgeheimnis. Wieder stand Österreich allein mit einer unhaltbaren Position gegen die EU. Wiederwar dieÖVPfederführend. Finanzministerin Fekter mimte dieHeldinimKampfumdie Privatsphäre der „Oma“. Dass damit Steuerbetrug und organisiertes Verbrechen geschützt werden, ist für unseren internationalen Ruf verheerend. Und die SPÖ? Schwach und beschwichtigend. Dass das Bankgeheimnis in der Form nicht zu retten ist, dürfte aber allen klar gewesen sein. Peter Huemer lebt als Autor inWien
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