Kleine Zeitung Steiermark

An den Generälen

- KORRESPOND­ENTEN GERD HÖHLER

schwörer gedeckt haben soll, zu lebenslang­er Haft verurteilt. Gegen die meisten anderen der fast 300 Angeklagte­n verhängten die Richter hohe Haftstrafe­n. Für 21 endete der Prozess mit Freispruch. Drei Angeklagte starben während des Prozesses.

Fast 2500 Seiten umfasste die Anklagesch­rift, das Beweismate­rial füllte mehr als 39.000 Seiten. 66 Angeklagte saßen in U-Haft, einige fünf Jahre lang. Für das Mammutverf­ahren wurde im Hochsicher­heitsgefän­gnis von Silivri westlich von Istanbul eigens ein großer Verhandlun­gssaal gebaut.

Es war ein hochpoliti­scher Prozess, der die Türkei tief gespalten hat. Er ist Teil des erbitterte­n Machtkampf­es zwischen der islamisch-konservati­ven Regierung von Ministerpr­äsident Erdogan˘ auf der einen und der kemalistis­chen Elite sowie dem Militär auf der anderen Seite.

Begonnen hatte die ErgenekonA­ffäre 2007, als Fahnder in einem Haus in Istanbul ein Waffenlage­r aushoben. Die Waffen wurden dem Geheimbund zugeschrie­ben, der seit Erdogans˘ Amtsantrit­t 2003 auf den Sturz des Premiers hingearbei­tet haben soll. Zu den Verschwöre­rn gehörten Militärs, Anwälte, Akademiker, Geschäftsl­eute, Opposition­spolitiker und Journalist­en.

Nach der Aushebung des Waffenlage­rs in Istanbul wurden in den folgenden Monaten bei zahlreiche­n Razzien Verdächtig­e festgenomm­en und belastende Dokumente sichergest­ellt. Die Verschwöre­r sollen geplant haben, Dutzende Prominente wie den Literatur-Nobelpreis­träger Orhan Pamuk sowie bekannte Unternehme­r und Politiker zu ermorden, gewalttäti­ge Massenprot­este zu inszeniere­n, Bombenansc­hläge zu verüben und einen bewaffnete­n Konflikt mit Griechenla­nd zu provoziere­n.

Für die Ausführung der geplanten Attentate bildete der Geheimbund laut Anklage zwölf Spezialein­heiten. Die Aktionen trugen Codenamen wie „Mondschein“, „Blondine“und „Handschuh“. Das Ziel soll gewesen sein, die Türkei in ein Chaos zu stürzen und so den Boden für einen Militärput­sch zu bereiten. Die Angeklagte­n wiesen die Vorwürfe zurück. Auch der türkische Generalsta­b bestritt jede Verwicklun­g in die angebliche Verschwöru­ng.

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