Die Schizophrenie des Wissenwollens
Manchmal ist es leichter, die Augen vor Dingen vor der Haustür zu schließen.
Die Deutschen sind schon ein seltsames Volk. Einerseits wollen sie es immer ganz genau wissen. Welche Organisation ihre Telefonate und E-Mails abfängt, ob die deutschen Stellen dabei mit den amerikanischen ko- dem Krieg“, sagt eine Nachbarin. Eine andere meint: „Wenn sie eine Kirche anstecken, brennen demnächst Wohnhäuser.“Die Zeugen hatten „ausgelassen tobende Jugendliche“am Tatort gesehen und „provozierend nah vorbeirasende Halbstarke auf Rädern“, die „hämische Rufe“ausstießen. s war nicht die erste Brandstiftung in dem Viertel. Die Polizei hat seit Anfang des Jahres über 30 Fälle registriert. Meistens waren es Altpapiercontainer, die abgefackelt wurden. Es kam aber zu keinen Festnahmen, die Feuer wurden unter dem Rubrum „Jugendgewalt“verbucht. Wer die Verursacher sind, darüber gibt es nur Andeutungen. Es sollen „junge Männer“sein, die als Gangs auftreten. Sie nennen sich „Ausländer in Garbsen“oder „Gtown Gangsta“, wobei G für Garbsen steht. „Sie pöbeln uns an, dealen offen mit Drogen, und keiner macht etwas“, klagt ein Einwohner. Aber jetzt soll etwas geschehen. Ab Herbst „sollen sich drei bis vier Streetworker um die Jugendlichen kümmern“. atürlich ist allen klar, wer „die Jugendlichen vor Ort“sind. Aber aussprechen mag es keiner. Das könnte ja als Ressentiment verstanden werden. Man wartet lieber, bis es wieder brennt. Henryk M. Broder ist Autor der „Welt“und „Weltwoche“.
EN