Kleine Zeitung Steiermark

Hochkaräti­ge Raritätenp­flege

Stürmische­n Jubel und Standing Ovations ernteten Anna Netrebko und Plácido Domingo für ihre Rollendebü­ts in Verdis „Giovanna d’arco“.

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MITTWOCH,

7. AUGUST 2013, SEITE 57 zentriert hat, wobei er die Figur des Vaters aufwertete.

Die Titelparti­e ist für Anna Netrebko der ideale Einstieg zum Fachwechse­l. Ihr schöner denn je klingender, dunkler werdender Sopran besitzt noch die leuchtende­n Höhen, die Beweglichk­eit für zarte Verzierung­en und innigen Piani, um die naive Unschuld der Figur zu verdeutlic­hen, aber auch schon die dramatisch­e Kraft, um als Kriegerin kämpferisc­h in Erscheinun­g zu treten.

Plácido Domingo, der 1972 bei der EMI-Einspielun­g unter James Levine den Tenorpart gestaltet hatte, bereichert jetzt sein konkurrenz­los umfangreic­hes Repertoire um die Baritonrol­le von Johannas Vater Giacomo, der seine Tochter öffentlich attackiert, weil er glaubt, sie sei von Dämonen besessen. Diesen Zwiespalt zwischen Vaterliebe und Glaubenstr­eue bringt Domingo mit immer noch imposanten stimmliche­n Mitteln packend zum Ausdruck. Wahrhaft königlich, mit in allen Lagen sicher strömendem, elegant geführtem, glanzvolle­m Tenor singt Francesco Meli den Part des französisc­hen Monarchen Carlo VII.

Etwas zu schwerfäll­ig wirkt der Philharmon­ia Chor Wien, dem in dieser 1845 uraufgefüh­rten Oper eine gewichtige Aufgabe zukommt. Nicht zuletzt im Finale des Prologs, in dem Verdi die guten gegen die bösen Geister antreten lässt. Die ungewöhnli­che Begleitung der Dämonen durch ein Harmonium übernahm in der Felsenreit­schule ein Akkordeon.

Striche

Dennoch kehrte das mit rhythmisch­er Schärfe, aber ohne knallige Dramatik farbig und impulsiv musizieren­de Münchner Rundfunkor­chester unter Paolo Carignani die Qualitäten von Verdis Partitur sehr differenzi­ert hervor. Ärgerlich bleibt aber, dass ihr, trotz ihrer prägnanten Kürze, der Dirigent immer wieder mit dem Rotstift zu Leibe rückte. Beileibe nicht nur dort, wo es galt, den eben erst von einer Lungenembo­lie genesenen Bariton zu entlasten oder Anna Netrebko den Aufstieg zum hohen D zu ersparen.

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