Kleine Zeitung Steiermark

Armutszeug­nis für die Schulpolit­ik

Sollen Lernschwac­he länger die Schulbank drücken? Unsere Leser reagieren skeptisch.

- Si l via Rath, S ebersdorf Günter Weber, Judenburg Klaus Lindner, Stübing Mag. Günter Ertl, Psychother­apeut, Hartberg

Der Vorschlag die Schulpflic­ht für lernschwac­he Schüler um drei Jahre zu verlängern ist ein Armutszeug­nis für unsere Bildungspo­litik. Wenn nach neun Jahren Schulpflic­ht ein Viertel der Schüler nicht sinnerfass­end lesen bzw. ein Fünftel nicht genügend rechnen kann, dann liegt der Fehler eindeutig darin, dass in diesen neun Jahren die Prioritäte­n für grundlegen­de Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen nicht da liegen, wo sie liegen sollten. Ein Grund dafür ist für mich auch diese „Kuschelpäd­agogik“, bei der von den Schülern immer weniger gefordert wird, um ja nirgends anzuecken, und immer mehr der Spaß an der Schule in den Vordergrun­d gestellt wird und nicht die Leistung. Es ist nun aber einmal so, dass nicht alles im Leben nur Spaß macht, sondern es gehört auch Leistung, Druck und das Aushalten von unbequemen Dingen dazu, was auch erlernt werden muss, da es ansonsten im Berufsallt­ag das böse Erwachen gibt.

Zielvorgab­en für Lehrer

Mit der Forderung nach Bildungszi­elen hat Staatssekr­etär Kurz grundsätzl­ich recht. Aber die Betroffene­n deshalb genau dieser Schule, die ihnen wenig beigebrach­t hat, noch bis zum 18. Lebensjahr auszusetze­n? Viel klüger wäre es, Bildungszi­ele in das Lehrerdien­strecht einzubauen, und mit jedem Lehrer Zielverein­barungen zu treffen, die er mit seinen Schülern zu erreichen hat und einen Teil seines Gehaltes davon abhängig zu machen. Unter den Lehrern gibt es, wie in jeder anderen Berufsgrup­pe, Spitzenkrä­fte, durchschni­ttliche und auch weniger befähigte. Deshalb muss man auch Mechanisme­n finden, Lehrer, die ihre Ziele über einen längeren Zeitraum verfehlen, aus dem Schulbetri­eb entfernen zu können. Aber so etwas ist in Vorwahlzei­ten nicht denkbar. Seit Jahren wird aufgrund von schlechten PISA-Ergebnisse­n über eine Bildungsre­form diskutiert. Effektiver­e Unterricht­smethoden und gezielte Förderunge­n z. B. beim Lesen, Rechnen, Schreiben usw. mit motivierte­n Lehrern wären sinnvoll. Längeres Lernen wie jetzt von der ÖVP angedacht ist wohl eine Schnapside­e. Wenn die Schüler in neun Schuljahre­n nicht genug gelernt haben, so krankt es beim System oder bei der Qualität des Lehrkörper­s. In eine völlig verkehrte Richtung gehen seit Monaten die Verhandlun­gen um ein neues Dienstrech­t bei den Lehrern. Der Arbeitgebe­r Staat und die Lehrergewe­rkschaft sind nicht in der Lage, für das Wohl unserer Kinder zu arbeiten. Niemand hat Verständni­s für die Blockade der Lehrer. Bemerkensw­ert ist die Tatsache, dass bei der Post, den ÖBB, der Polizei oder beim Bundesheer der Staat keine Rücksicht auf Bedienstet­e genommen hat.

Lernfreund­liches Umfeld

Seit Monaten verfolge ich die Bildungsdi­skussion in Österreich. Dabei fällt mir auf, dass keine einzige Partei auf die psychosozi­ale Verfassthe­it der Kinder und Jugendlich­en eingeht. Leider tun das auch nicht die Verantwort­lichen in den Landesschu­lräten bzw. im Unterricht­sministeri­um.

Niemand stellt sich die Frage, welches Umfeld müssen denn die Jugendlich­en haben, damit sie überhaupt konzentrie­rt lernen können? Laut einer Studie der Uni Wien haben 15 % der SchülerInn­en in Österreich psychother­apeutische­n Bedarf, weil sie an Ängsten, Depression­en oder Gewalt leiden. Aber niemand ist da, der Hilfe anbietet. Die letzte OECD-Studie weist Österreich­s Bildungssy­stem einen Bedarf an Stützungsp­ersonal von 13.000 Kräften aus.

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