Armutszeugnis für die Schulpolitik
Sollen Lernschwache länger die Schulbank drücken? Unsere Leser reagieren skeptisch.
Der Vorschlag die Schulpflicht für lernschwache Schüler um drei Jahre zu verlängern ist ein Armutszeugnis für unsere Bildungspolitik. Wenn nach neun Jahren Schulpflicht ein Viertel der Schüler nicht sinnerfassend lesen bzw. ein Fünftel nicht genügend rechnen kann, dann liegt der Fehler eindeutig darin, dass in diesen neun Jahren die Prioritäten für grundlegende Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen nicht da liegen, wo sie liegen sollten. Ein Grund dafür ist für mich auch diese „Kuschelpädagogik“, bei der von den Schülern immer weniger gefordert wird, um ja nirgends anzuecken, und immer mehr der Spaß an der Schule in den Vordergrund gestellt wird und nicht die Leistung. Es ist nun aber einmal so, dass nicht alles im Leben nur Spaß macht, sondern es gehört auch Leistung, Druck und das Aushalten von unbequemen Dingen dazu, was auch erlernt werden muss, da es ansonsten im Berufsalltag das böse Erwachen gibt.
Zielvorgaben für Lehrer
Mit der Forderung nach Bildungszielen hat Staatssekretär Kurz grundsätzlich recht. Aber die Betroffenen deshalb genau dieser Schule, die ihnen wenig beigebracht hat, noch bis zum 18. Lebensjahr auszusetzen? Viel klüger wäre es, Bildungsziele in das Lehrerdienstrecht einzubauen, und mit jedem Lehrer Zielvereinbarungen zu treffen, die er mit seinen Schülern zu erreichen hat und einen Teil seines Gehaltes davon abhängig zu machen. Unter den Lehrern gibt es, wie in jeder anderen Berufsgruppe, Spitzenkräfte, durchschnittliche und auch weniger befähigte. Deshalb muss man auch Mechanismen finden, Lehrer, die ihre Ziele über einen längeren Zeitraum verfehlen, aus dem Schulbetrieb entfernen zu können. Aber so etwas ist in Vorwahlzeiten nicht denkbar. Seit Jahren wird aufgrund von schlechten PISA-Ergebnissen über eine Bildungsreform diskutiert. Effektivere Unterrichtsmethoden und gezielte Förderungen z. B. beim Lesen, Rechnen, Schreiben usw. mit motivierten Lehrern wären sinnvoll. Längeres Lernen wie jetzt von der ÖVP angedacht ist wohl eine Schnapsidee. Wenn die Schüler in neun Schuljahren nicht genug gelernt haben, so krankt es beim System oder bei der Qualität des Lehrkörpers. In eine völlig verkehrte Richtung gehen seit Monaten die Verhandlungen um ein neues Dienstrecht bei den Lehrern. Der Arbeitgeber Staat und die Lehrergewerkschaft sind nicht in der Lage, für das Wohl unserer Kinder zu arbeiten. Niemand hat Verständnis für die Blockade der Lehrer. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass bei der Post, den ÖBB, der Polizei oder beim Bundesheer der Staat keine Rücksicht auf Bedienstete genommen hat.
Lernfreundliches Umfeld
Seit Monaten verfolge ich die Bildungsdiskussion in Österreich. Dabei fällt mir auf, dass keine einzige Partei auf die psychosoziale Verfasstheit der Kinder und Jugendlichen eingeht. Leider tun das auch nicht die Verantwortlichen in den Landesschulräten bzw. im Unterrichtsministerium.
Niemand stellt sich die Frage, welches Umfeld müssen denn die Jugendlichen haben, damit sie überhaupt konzentriert lernen können? Laut einer Studie der Uni Wien haben 15 % der SchülerInnen in Österreich psychotherapeutischen Bedarf, weil sie an Ängsten, Depressionen oder Gewalt leiden. Aber niemand ist da, der Hilfe anbietet. Die letzte OECD-Studie weist Österreichs Bildungssystem einen Bedarf an Stützungspersonal von 13.000 Kräften aus.